Was läuft im Musiktheater?:Zur Apokalypse ein Tschüssikowski!

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Gleich heißt es Apocalypse now! Die Erde kracht in einen Kometen in Krzysztof Warlikowskis Inszenierung von György Ligetis „Le Grand Macabre“ an der Bayerischen Staatsoper. (Foto: Wilfried Hösl)

Opern in Endzeitstimmung und Operetten-Heiterkeit: Der Juli bietet extreme Gemütszustände im Münchner Musiktheater.

Von Jutta Czeguhn

Lars von Trier legte Wagner auf, das Vorspiel zu „Tristan und Isolde“, in seinem Weltuntergangsfilm „Melancholia“ von 2011. Zu diesem Sound wird die herannahende, unumkehrbare Kollision zwischen dem Kometen und der Erde zu etwas unbeschreiblich Schönen, beinahe zu einem endzeitlichen Liebesakt. Regisseur Krzysztof Warlikowski zitiert nun diesen großen Kino-Moment und lässt in seiner Inszenierung von György Ligetis einzigem Opernwerk „Le Grand Macabre“ unseren blauen Planeten in einen braunen Riesenstern krachen. Auch irgendwie melancholisch, aber dann ist doch nicht alles perdu. Denn auf der Erde regt sich noch was, und Figuren in weißen Raumanzügen leuchten mit Taschenlampen die Lage aus. Bei der Premiere im Nationaltheater, mit der die diesjährigen Münchner Opernfestspiele gestartet sind, nahmen nicht wenige im Publikum schon lange vor dem finalen Kometen-Crash Reißaus. Man sollte also unbedingt am Sonntag, 7. Juli, die für diese Spielzeit letzte Vorstellung des große Makabren nutzen, um herauszufinden, warum es sich unbedingt lohnt, bis zum aller Ende Anfang zu bleiben. Im Oktober gibt’s dann die Wiederaufnahme.

Sabine Devieilhe als Mélisande in der zweiten Festspiel-Premiere der Bayerischen Staatsoper, Claude Debussys „Pelléas et Mélisande“, am 9. Juli im Prinzregententheater. (Foto: Wilfried Hösl)

Und schon steht die nächste Festspielpremiere an, auch hier eine hoffnungslose, melancholische Grundstimmung: Am Dienstag, 9. Juli, kommt Claude Debussys „Pelléas et Mélisande“ im Prinzregententheater auf die Bühne. Auch sie die einzige Oper dieses Komponisten. Die Koproduktion mit der Oper in Dallas, USA, inszeniert die Niederländerin Jetske Mijnssen. Den Part des Pelléas hat Christian Gerhaher bereits gesungen; in München nun gibt er sein Rollendebüt als dessen Halbbruder Golaud. Überaus freuen darf man sich auf die leuchtende, filigrane und dabei völlig natürliche Sopranstimme von Sabine Devieilhe als Mélisande. Sein Hausdebüt am Pult gibt Hannu Lintu, Chefdirigent des Finnischen Radio-Sinfonieorchesters, der Finnischen Nationaloper in Helsinki und des Orquestra Gulbenkian in Lissabon.

Und jetzt mal wirklich heiter weiter: mit Operette! Am Gärtnerplatz hat am Mittwoch, 10. Juli, auf der Studiobühne „Oh! Oh! Amelio!“ Premiere. Ein Auftragswerk des Staatstheaters an Thomas Pigor (Regie) und Konrad Koselleck (Musik), aus deren Zauberwerkstatt schon die wunderbare Revueoperette „Drei Männer im Schnee“ stammt. Diesmal hat sich Pigor im Frankreich des 19. Jahrhunderts beim großen Komödiendichter Georges Feydeau umgetan und sein Lustspiel „Occupe-toi d’Amélie“ („Kümmere dich um Amélie“) ordentlich durch die Mangel gedreht. Bei ihm geht die turbulente Story nun so: Travestiekünstler Amelio von Tschüssikowski ist ziemlich begehrt. Ein Filmproduzent möchte ihn als Frau für eine Rolle im nächsten „Tatort“, seine abgebrannte Freundin braucht ihn dringend als Mann für eine Schein-Hochzeit zwecks Erbschaft. Die Premiere ist schon ausgebucht, für den 15. Juli gibt’s noch Restkarten, und für die Vorstellungen in der nächsten Spielzeit sowieso.

Und nun eine antike Orgie: Das Ensemble mit Weinkellen in der Operette "Die schöne Galathée", am 11. Juli ist Premiere in der Pasinger Fabrik. (Foto: Annette Hempfling)

Und noch ein alter Stoff, neu verpackt: Die kleine Oper in der Pasinger Fabrik widmet sich zunehmend der kleinen Oper, der Operette. Eben weil die Menschen aktuell wenig zu lachen haben, so Fabrikchef Frank Przybilla. Die Jahresproduktion 2024, Franz von Suppès „Die schöne Galathée“, Premiere 11. Juli, macht gleich mehrere flotte Salti durchs Raum-Zeit-Kontinuum: Vom Zypern der Antike geht’s ins Paris und Wien des 19. Jahrhunderts bis ins Hier und Jetzt. Regisseur Marcus Everding und Musikchef Andreas Pascal Heinzmann legen eine flotte Neufassung der Geschichte um Pygmalion und seine sehr lebendige Statue hin. Inklusive KI-Sprachassistentin Alexa als so etwas wie der antike Chor.

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