Süddeutsche Zeitung

Hörenswert:Trommeln fürs Leben

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"Original Grooves", die erste CD von Opercussion, der Schlagzeugtruppe des Bayerischen Staatsorchesters.

Von Egbert Tholl

Spinnen die? Für die fünf Musiker von Opercussion ist Bach der erste Jazzer der Musikgeschichte. So ungefähr. Nun kann man mit der Musik von Johann Sebastian Bach grundsätzlich fast alles machen. Oft kommt dabei nichts so richtig Gutes raus, es läuft halt meist irgendwie gut durch. Hier aber ist das so: Es geht los, da denkt man nicht an Bach, eher vielleicht an Salsa, stimmt nicht, ist ein Songo, ein kubanischer Rhythmus - man sieht gleich, das Projekt bildet -, eh lässig. Und dann setzt das Präludium aus Bachs "Wohltemperierten Klavier" ein, wie eine irre Nähmaschine, die immer wieder aussetzt, Ruhe gibt für rhythmische Soloeskapaden (Bach ist vieles, aber kein Meister der Synkope), Marimba und Vibraphon sorgen fürs melodische Fleisch, ein Bass wurmt unten herum. Sehr cool.

Dieses Stück ist die Keimzelle der ersten CD von Opercussion, wie sich fünf der Schlagzeuger des Bayerischen Staatsorchesters nennen, wenn sie nicht im Graben des Nationaltheaters sitzen, sondern verrücktes Zeug außerhalb von diesem machen. Ist ja klar: Diese High-End-Schlagzeuger sind eher unterfordet, wenn in der Oper Mozart und Verdi gespielt wird; andererseits sorgen eigene Unternehmungen wie diese dafür, dass sie gelassen lächeln, wenn mal eine Uraufführung ansteht. Sie können das, die können alles.

Als sie vergangene Woche das Material von "Original Grooves" in der Muffathalle live vorstellten, machten die Jungs und ihre Gäste mächtig Stimmung, hängten vor das Bach-Arrangement, das letztlich eine Hommage an Peter Sadlo darstellt, bei dem zwei von ihnen lernten, eine reichlich wahnsinnige Adaption der Ouvertüre von Mozarts "Zauberflöte". Und alles klappte sehr gut.

So toll das Konzert in der Muffathalle war - selten war dort das Podium so voll mit Gerätschaften zur Klangerzeugung -, manches klingt auf der CD, die auf dem staatsopereigenen Label erschien, noch großartiger. Und das bei einer Stunde Getrommel! Chick Coreas "La Fiesta" ist pure Freundlichkeit, Astor Piazzollas "Fuga y misterio" hat ganz viel Klasse, ist Geschichte, frische Klangerzählung, und das obwohl man das Stück sicherlich 751-mal in verschiedensten Varianten gehört hat.

Wenn Claudio Estay gerade mal keinen Zugang zum Drumset hat und jemand ihm das Cajón versteckt hat, macht er halt Percussion nur mit dem Mund; anderes klingt wie lateinamerikanische Volksmusiken respektive lustige Balztänze, Dizzy Gillespie hätte sich für diese hier eingespielte abgedrehte Version seiner "Night in Tunisia" bedankt: unterschiedliche Rhythmen überlagern sich, die Musik schiebt und drängt. Und da sie ja doch ein letztlich in der Oper beheimatetes Ensemble sind, darf Gesang nicht fehlen. Alvaro Zambrano aus dem Ensemble der Staatsoper singt "Por una Cabeza" von Carlos Gardel wie ein Wiedergänger des berühmtesten aller Tangosänger, Julia Pfister spielt dazu Geige, und Estay, Thomas März, Maxime Pidoux, Pieter Roijen und Carlos Vera Larrucea ersetzen jedes Orchester.

Danach noch ein grandioser Rausschmeißer, "Gracias a la Vida" von Violeta Parra, dem man, nun hinreißend und voller Glut gesungen von Juliana Zara, immer noch den Aufbruch in ein neues Chile anhört, behaftet mit Schmerz - "Dank ans Leben".

Opercussion: "Original Grooves" (Bayerische Staatsoper Recordings)

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