Opera Incognita:Sonnengesang

Opera Incognita: Nofretete (Carolin Ritter) gebiert eine neue Dynastie, bestehend aus Lichtkugeln.

Nofretete (Carolin Ritter) gebiert eine neue Dynastie, bestehend aus Lichtkugeln.

(Foto: Aylin Kaip)

Die Kompagnie der Opera Incognita zeigt im Ägyptischen Museum "Akhnaten" von Philip Glass.

Von Egbert Tholl, München

Im Jahre 1364 vor Christus bestieg Amenophis IV. den Thron des ägyptischen Pharaos, nannte sich selbst Echnaton, entvölkerte den Götterhimmel, ersann die erste monotheistische Religion der Welt (soweit man das zu wissen glaubt), machte damit viele Priester und Beamte arbeitslos und erfand nebenher einen Personenkult, der unter anderem dazu führte, dass man in Berlin die berühmte Büste der Nofretete, Echnatons Gattin, besuchen kann. Echnaton verehrte die Sonne, hinterließ einen poetischen "Sonnengesang", doch nach seinem Tod und mit seinem Nachfolger Tutanchamun kehrten die alten Götter auf ihre angestammten Plätze zurück. Aus diesem etwas zurückliegendem Stoff machte Philip Glass eine Oper, die ihre Uraufführung 1984 in Stuttgart hatte. Ihr Titel: "Echnaton". Oder auch "Akhnaten", was dasselbe meint und nun von der Kompagnie der Opera Incognita als Titel für deren Produktion verwendet wird.

Andreas Wiedermann, der szenomatografische Kopf der Truppe, hat ja schon viele tolle Operninszenierungen an Orten gemacht, an denen man keine Opernaufführungen erwarten würde. Das Staatliche Museum Ägyptischer Kunst ist für seine Verhältnisse da fast schon konservativ, aber inhaltlich natürlich zwingend, auch wenn nicht zwischen den Exponaten gespielt wird, sondern im Betonbunker des Veranstaltungsraums im Keller. Hierin hat Wiedermann schon einmal Verdis "Aida" gemacht, und es gibt genug Platz für den Chor. Und Chor ist hier viel, 35 Frauen und Männer, dazu einige Solisten, eine für eine freie Operntruppe wirklich erstaunliche Fülle.

Möglich für die Opera Incognita indes wurde Glass' Oper erst dadurch, das davon eine vom Komponisten autorisierte Fassung für vier Synthesizer und drei Schlagzeuger existiert. Tatsächlich hat die sogar einen großen Vorteil: Glass hat alle seine musikalischen Parameter genau vermessen und schreibt dies auch genau auf. Hier ist nicht interpretatorische Individualität gefragt, sondern die genaue Umsetzung eines Bauplans inklusive der Klangfarben, die nun halt elektronisch erzeugt werden. Das gelingt mit den Keyboards fabelhaft gut, und unter der Leitung von Ernst Bartmann entwickelt die Musik zusammen mit dem altägyptischen, hochpräzisen Chorgesang einen irren Sog.

Die Oper besteht aus einzelnen Tableaus, die Wiedermann beherzt mit unserer Gegenwart und Zukunft füllt, mit dem überemotionalisierten Chor, auch mit einigen raunenden Verstiegenheiten und den drei tollen Solisten, dem virilen Counter Kiuk Kim (Echnaton), Carolin Ritter (Nofretete) und Dilay Girgin (Echnatons Mama). Manches ist krude und redundant, aber: Ein (viel zu seltenes) Erlebnis ist es allemal (Aufführungen bis 16. September).

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