Was läuft im Musiktheater?Münchens Opernbühnen mit Stalin und einem doppelten Strauß

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Die Welt in Schräglage: Georg Nigl (Eisenstein) und Katharina Konradi (Adele) in Barrie Koskys „Fledermaus“-Version, die an die Bayerische Staatsoper zurückkehrt. Am Gärtnerplatz wird ebenfalls geflattert.
Die Welt in Schräglage: Georg Nigl (Eisenstein) und Katharina Konradi (Adele) in Barrie Koskys „Fledermaus“-Version, die an die Bayerische Staatsoper zurückkehrt. Am Gärtnerplatz wird ebenfalls geflattert. (Foto: Wilfried Hösl)

Bei der Premiere von Platonows „Die Baugrube“ in der Reaktorhalle empfiehlt sich Gehörschutz, an der Staatsoper und am Gärtnerplatz flattern die Strauß’schen „Fledermäuse“ gewiss geräuschärmer in den Faschingsendspurt.

Von Jutta Czeguhn

Es werden Ohrenstöpsel zur Verfügung gestellt. Das teilt die Bayerische Theaterakademie August Everding mit. Man ist also gewarnt, denn es wird etwas laut zugehen bei der Premiere des neuen Musiktheaterstücks am Donnerstag, 27. Februar, (19.30 Uhr), in der Reaktorhalle. Zumal das Regieprojekt von Fabiola Kuonen den Titel Die Baugrube trägt, und an solchen Orten ja in der Regel nicht gerade Stille herrscht. Im unablässigen Takt elektronischer Musik errichten hier Menschen ein Haus für die Arbeiterklasse. Die junge Schweizer Regisseurin, die zuletzt am Residenztheater Lena Goreliks „Der wiedergefundene Freund“ uraufgeführt hat, präsentiert ihre eigene Bühnenfassung von Andrej Platonows Kurzroman. Der hochverdichtete Text entstand 1930, als Stalin die Zwangskollektivierung der Landwirtschaft mit aller Härte vorantrieb und die Großbauern, die Kulaken, vernichtete.

Regisseurin Fabiola Kuonen bringt mit ihrer Bearbeitung von Andrej Platonows „Die Baugrube“ ein ungewöhnliches Musiktheater-Projekt in die Reaktorhalle. Im Sommer inszeniert sie bei den Salzburger Festspielen.
Regisseurin Fabiola Kuonen bringt mit ihrer Bearbeitung von Andrej Platonows „Die Baugrube“ ein ungewöhnliches Musiktheater-Projekt in die Reaktorhalle. Im Sommer inszeniert sie bei den Salzburger Festspielen. (Foto: Adrienne Meister)

Das Werk, lange verboten in der Sowjetunion, galt zudem als unübersetzbar. Kuonen bedient sich der famosen Übersetzung von Gabriele Leupold (Suhrkamp, 2017), die es fertigbringt, das Stalin’sche Neusprech, die Revolutions-Phrasen, in denen die Figuren miteinander und aneinander vorbeikommunizieren, offenzulegen. Die kommunistische Utopie wird ad absurdum geführt in den Reden Stalins, zurückbleibt kollektive Depression. Ein spannendes Projekt zwischen Puppenspiel, Sprechtheater und Oper. Wie schon beim Gorelik-Stück stammt die Musik von der Schweizer Komponistin und Musikerin Marylène Salamin, mit der zusammen Fabiola Kuonen im Sommer bei den Salzburger Festspielen auch eine Neuproduktion von Sibylle Bergs „Mein ziemlich seltsamer Freund Walter“ vorstellen wird.

Wann wurde im Nationaltheater zuletzt Gehörschutz ans empfindsame Publikum verteilt? Nun, es muss im April vorigen Jahres gewesen sein, bei einem sehr körper- und dezibelintensiven Abend mit der belgischen Performance-Compagnie „Peeping Tom“. Die kleinen Schaumstoff-Dämmer waren sehr bunt und hübsch, weshalb sie so mancher Münchner Ballett-Fan noch ungeöffnet als Souvenir zu Hause hegt. Und wohl auch so schnell nicht brauchen wird, denn an der Bayerischen Staatsoper steht in diesem Februar nur Wohlklang an: Otto Schenks Bohème-Inszenierung in Luxus-Besetzung mit Angel Blue als Mimì, Andrea Carroll als Musetta und Pene Pati als Rodolfo. (Restkarten: 14., 16. und 20. 2.)

Da spaziert er dahin, der Richard Strauss in seinem schönen Garmischer Garten, während ringsum der Zweite Weltkrieg tobt. Szene aus Claus Guths Neuproduktion von Strauss’ letzter Oper „Die Liebe der Danae“.
Da spaziert er dahin, der Richard Strauss in seinem schönen Garmischer Garten, während ringsum der Zweite Weltkrieg tobt. Szene aus Claus Guths Neuproduktion von Strauss’ letzter Oper „Die Liebe der Danae“. (Foto: Monika Rittershaus)

Wieder fit ist hoffentlich die schwedische Sopranistin Malin Byström, die bei der Premiere von Richard Strauss’ Die Liebe der Danae krankheitsbedingt und quasi in letzter Minute die Titelpartie an die furchtlose Manuela Uhl abgeben musste. Musikalisch war der Abend ein Glanzpunkt, in Claus Guths Inszenierung kann man sich noch hineinfühlen am 15., 19. und 22. Februar.

Der andere Strauß, der Johann: Seine champagnerperlende, beschwingt-abgründige Fledermaus darf zum Münchner Faschingsendspurt noch mal ein paar Flatterrunden in München drehen. An der Bayerischen Staatsoper lädt Barrie Kosky zum Ball beim Prinzen Orlofsky, da mausern die Federboas um die Wette, es steppt der Frosch, und der Herr Gefängnisdirektor hat nicht sehr viel an. Kosky eben. (23., 25. und 27. 2. sowie 1. und 4.3.). Am Gärtnerplatz geht’s in der Inszenierung von Staatsintendant Josef E. Köpplinger – Niederösterreicher von Geburt wegen – trotz der Bühne in Schieflage etwas weniger schräg zu. Oder um mit den Worten Köpplingers (siehe Stückeeinführung) zu sprechen: In der Fledermaus ist von der „Kapuzinergruft bis zum Wurstlprater die ganze Gefühlswelt der Operette drin“ (15., 22. und 23. 2. sowie 2. 3.).

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