Oper:Immer noch cool

Oper: "Mir fehlt die Katharsis des Künstlers", sagt der Intendant der Bayerischen Staatsoper, Nikolaus Bachler.

"Mir fehlt die Katharsis des Künstlers", sagt der Intendant der Bayerischen Staatsoper, Nikolaus Bachler.

Kulturmanager, Dandy, Schauspieler: Ein Treffen mit Nikolaus Bachler, dem Intendanten der Bayerischen Staatsoper, der erklärt, warum er sich manchmal fühlt wie Franz Beckenbauer.

Von Tobias Haberl

"Ich bin sowieso cool", sagte Nikolaus Bachler vor seiner ersten Premiere an der Bayerischen Staatsoper 2008, er war damals gerade Intendant geworden. Und knapp zehn Jahre danach hat sich wenig geändert: Er ist immer noch cool und geheimnisvoll, ein rätselhafter Mensch, dem man nicht wirklich nahe kommt, selbst wenn er im Interview erstaunlich persönliche Dinge preisgibt.

Wir treffen Nikolaus Bachler in seinem Büro. Es ist penibel aufgeräumt, er scheint nicht nur "Pünktlichkeitsfanatiker" zu sein, wie er später erzählen wird, sondern auch Ordnungsfanatiker. Nach 90 Minuten Gespräch hat man eine Ahnung davon, warum das so sein könnte: Gut möglich, dass es in seinem Kopf, in seiner Seele so drunter und drüber geht, dass er wenigstens seine Umgebung in Ordnung hält. Bachler ist ein faszinierender Mensch, ein extrem erfolgreicher Kulturmanager, der in seinem Empfinden stark an einen Künstler erinnert.

"Es kann den reinen Moment gar nicht geben"

"Die Realität", sagt er, "ist von Zwängen und Ablenkung getragen. Man muss sich arrangieren, man muss zurechtkommen. Es kann den reinen Moment gar nicht geben - außer vielleicht bei der Geburt und im Tod." Kaum vorstellbar, dass der Vorstandsvorsitzende eines DAX-Konzerns so spricht. Bachler war mal Schauspieler und ist es irgendwie auch geblieben; er schlüpft in Rollen, das sagt er selbst. Nur so sei der Spagat zwischen Kunst und Marketing, Oper und Organisation hinzukriegen.

Besucher fragten ihn oft, warum er an Premierenabenden so schnell verschwinde. Jetzt verrät er, warum: "Ein Premierenabend ist für mich der schwierigste Tag überhaupt, weil ich am Ergebnis beteiligt bin, weil ich geplant, ermöglicht und entschieden, aber am Ende nicht ausagiert habe. Mir fehlt die Katharsis des Künstlers." Da gehe es ihm wie Franz Beckenbauer nach dem WM-Sieg 1990, der sei auch allein und nachdenklich über den Rasen geschlichen.

Er spricht dann noch über sein Leid an der Digitalisierung, seine sonderbare Kindheit in der Steiermark, das Münchner Opernpublikum, wie er mal neben Martin Winterkorn im Liegestuhl gesessen sei und warum früh klar war, dass er nicht Schauspieler bleiben würde. Man hört diesem Mann gern zu, er ist sensibel und gebildet, ein Dandy, der wahrscheinlich eine gehörige Portion Disziplin aufwenden muss, um den prosaischen Teil seines Jobs zu erledigen. Trotzdem, in München sei er entspannter geworden. "Ich bin besserer Stimmung, nehme mehr wahr, lebe lieber, bin weniger verbissen, das hat auch mit dem Alter zu tun. Man kann auf zwei Arten älter werden: Die einen versteinern und werden böse auf alles, was nach ihnen kommt, die anderen werden gelassen, die Großzügigkeit nimmt zu. Sie können sich vorstellen, welches Modell ich anstrebe." Es scheint ihm zu gelingen.

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