Süddeutsche Zeitung

Oper:Musikalische Schatzsuche

Das Münchner Rundfunkorchester führt Jules Massenets "Ariane" konzertant mit der ägyptischen Sopranistin Amina Edris in der Titelrolle auf.

Von Rita Argauer

Das Münchner Rundfunkorchester führt mit "Ariane" eine in Vergessenheit geratene Oper von Jules Massenet auf. Es ist ein Spätwerk, 1906/07 komponiert und an der Pariser Oper uraufgeführt. Bis in die Sechzigerjahre wurde es dann gut 70-mal gezeigt. 2007 gab es ein einzige neue Aufführung in Frankreich. In München gibt es Massenets "Ariane" nun konzertant mit der ägyptischen Sopranistin Amina Edris in der Titelrolle. Das ist eine schöne Sache. Doch spannend ist auch die Verbindung, die hinter dieser Aufführung liegt. Die führt von Paris über Venedig nach München. Und zeigt neben der musikalischen Schatzsuche auch eine künstlerische Freundschaft über drei Städte und ein bisschen musikwissenschaftliches Nerd-Dasein.

Angelpunkt des Ganzen ist die Pharmaunternehmerin Nicole Bru. Die kaufte 2009 einen alten Palazzetto in Venedig und installierte dort ein Zentrum für die Erforschung der Musik der französischen Romantik. Das Gebäude von 1695 mit Fresken von Sebastiano Ricci wurde einst als Casino für die venezianische Familie Zane erbaut. Es hat einen Wassereingang zum Kanal und einen schönen Garten im Innenhof. Im Foyer gibt es Ausstellungen, im ersten Stock ist ein kleiner, aber sehr edler Kammermusiksaal. Von hier aus wird die französische Musik aus der Zeit von 1780 bis 1920 erforscht, neu ediert und wieder publik gemacht. Warum? Eigentlich aus Lust und Laune. Stifterin Nicole Bru liebt diese Musik und Venedig. Mit dem Palazzetto Bru Zane verbindet sie beide Leidenschaften. Klassisches Mäzenatentum für ein bisschen exzentrische Partikularinteressen. Doch eine solche Arbeit macht erst Sinn, wenn die erforschte Musik eben auch einen Widerhall in der Wirklichkeit findet. Und hier kommt das Münchner Rundfunkorchester ins Spiel.

Seit 2010 arbeitet die Stiftung mit dem Münchner Klangkörper zusammen, acht Produktionen sind in dieser Zeit entstanden. "Es geht da auch um Interesse an diesem Repertoire", sagt Rosa Giglio in Venedig. Sie koordiniert die künstlerische Zusammenarbeit und die Münchner sind über die Jahre ein enger Partner geworden. "Die haben eine tolle spielerische Qualität", lobt Alexandre Dratwicki, künstlerischer Leiter des Palazzetto Bru Zane, der für die Proben gerade in München ist. Er freut sich über den Mut diese unbekannten Stücke aufzuführen. Auch, weil die Sängersolisten oft in Deutschland eher unbekannt, aber eben stilistische Spezialisten für diese Epoche seien.

Doch Dratwicki betont auch die Freundschaft, die zwischen den französischen Musikwissenschaftlern aus Venedig und den Münchner Musikern entstanden sei. Dratwicki habe etwa mit dem BR-Chor (der ebenfalls bei den Bru-Zane-Produktionen in München mitwirkt) an der Aussprache für diese alten Werke gearbeitet. Da wird das "R" gerollt. Und als er dann das nächste Mal in München war, habe ihn der Chor einstimmig mit "Bonjourrrr" begrüßt. Es sind solche Kleinigkeiten, die Dratwicki freuen: "Die haben Interesse an der Musik und an den Details." Das ist wichtig. Denn aus der Wiederaufführung von "Ariane" entsteht auch eine CD. "Wir schaffen hier eine neue Tradition", erklärt Dratwicki. Und was ein bisschen vollmundig klingt, trifft in einem Punkt unbedingt zu: Diese alten Werke finden den Weg leichter zurück auf die Spielpläne der Häuser, wenn es neben einer modernen Partitur auch eine Referenz-Aufnahme gibt.

In erster Linie liegt aber für das Publikum vor Ort eine ganz besondere Spannung in diesen Projekten. Diese Musik ist neu und in dieser Generation von Musikern bisher weder gehört noch gespielt. Und wann ist man sonst schon einmal dabei, wenn ein Orchester ein altes Werk, ohne es vorher gehört zu haben, nur aus den Noten heraus neu erarbeitet. Fast wie bei einer zweiten Uraufführung.

Ariane, Münchner Rundfunkorchester und BR-Chor, Sonntag, 29. Januar, 19 Uhr, Prinzregententheater, Prinzregententplatz 12

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5739032
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ/by/chj
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.