Open-Air:Dem Kleinkunsthimmel so nah

Maxi Schafroth brilliert mit der Idee eines "Autokabaretts": Auf der Allgäuer Hofwiese seiner Eltern lässt er seinem Spieltrieb mit Traktoren, Hebebühnen und Nockherberg-Auszügen freien Lauf

Von Oliver Hochkeppel

Ein Allgäuer Lausbub mit vielen Talenten und unbändigem Spieltrieb, das war der Maxi Schafroth schon immer. Dieser Mischung konnte selten jemand widerstehen. Eigentlich klar also, dass seiner Naturgewalt auf Dauer selbst Corona wenig entgegensetzen konnte. Und so lud Schafroth jetzt drei Tage lang zum "Autokabarett" nahe Ottobeuren. Jeweils 250 Autos parkten in die abgesteckten Plätze auf der großen Wiese des elterlichen Hofs ein. Und nachdem die Insassen im Autoradio "Radio Eggisried 96,4" - die eigens dafür beantragte und mit einem 650 Meter weit strahlenden Sender betriebene Frequenz - eingestellt hatten, konnten sie sich eines Schauspiels erfreuen, das (und das ist kaum übertrieben) die Welt noch nicht gesehen hat.

Denn wenn man den Maxi lässt, dann legt er richtig los. Schon das "Vorprogramm" war aufwendig. Moderiert vom (echten) BR-Mann Johannes Hitzelberger und dem (fiktiven) ORF-Reporter Erich Meidlinger (hinter dem sich Schafroths alter Freund, der Schauspieler Raphael Dwinger verbarg) auf Jäger-Hochsitzen, schwebte Schafroth zunächst als Angela Merkel ein - "sie" hielt ihr Grußwort von einer Bühne auf der Schaufel eines Traktors herab, den Schafroths Vater über den Platz manövrierte. Fast mochte man "ihr" glauben, dass sie oft in Eggisried weile, im "in ganz Europa geschätzten Allgäu", um wegen der sensationellen Aussicht die beiden neben der Wiese stehen Funktürme zu besteigen - "wir schaffen das".

Maxi Schafroth Autokino

Maxi Schafroth mit Gitarrist Markus Schalk und dem "Chor der JU Miesbach" vor seinem am Autoradio lauschenden Publikum.

(Foto: Albert Kapfhammer)

Gleich darauf gab sich dann der heilige Vater Benedikt erneut in Bayern die Ehre, um nach einem Moment der Verwirrung auf seinen Nachfolger Papst Franziskus zu stoßen. Das sich daraus in den Höhen der Papamobile ergebende Palaver samt Segen für Stadt-, Erd- und Allgäukreis war eine improvisatorische Paradenummer für Schafroth, spricht er doch fließend italienisch. Ein Ereignis, das nur noch zu toppen war durch den Auftritt Schafroths mit seinem "Chor der JU Miesbach" und der Hymne "Mein Bayernland".

Auch für das nach kurzer Pause folgende Hauptprogramm hatte sich Schafroth Spektakuläres ausgedacht. Wie immer mit Gitarrist Markus Schalk an seiner Seite trat er auf zwei großen Industrie-Hebebühnen auf, mit der er sich auf geschätzt 15 bis 20 Meter Höhe hieven und wieder ablassen konnte - was er dann auch weidlich nutzte. Inhaltlich überraschten die vielen Nummern aus den Anfängen seiner Kabarettkarriere, die man lange nicht mehr gehört hatte, der "Kässpätzle-Blues" etwa, "Schulaufsätze aus der 2C" über Rosenkranzweiber oder die familiäre Urlaubsfahrt nach Italien, den Song von den entlaufenen Jungstieren oder die Allgäu-Ballade. Nur ganz am Rande kamen Silke und Jörn vor oder die anderen Münchner oder Frankfurter Großstadtfiguren, die Schafroth im aktuellen Programm "Faszination Bayern" so ausgiebig karikiert. Dem Ort wie dem Anlass angemessen ging es also wieder ganz zurück zur "Faszination Allgäu".

Bayerischer Kabarettpreisträger Maxi Schafroth

Vom Bauernbub und Bankberater zum kreativen Kabarett-Wirbelwind, der mit seiner Wiesen-Show eine passende Präsentationsform für Corona-Zeiten erfunden hat: Maxi Schafroth.

(Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa)

Gerade wenn Schafroth die Spielerei mit der Technik übertrieb (etwa indem er minutenlang mit der Hebebühne herumfuhrwerkte, um für eine einzige Nummer Markus Schalks Banjo aufzugabeln), wenn er eine Nummer fast zum Kollabieren brachte, weil er selbst so lachen musste, oder wenn ihm bei den alten Songs der Text nicht mehr einfallen wollte, dann war es wieder wie vor zwölf Jahren, als seine Karriere begann. Als die Mischung aus schlauem Bauernbub, Bankkaufmann, Schauspielstudent und singendem Musikkabarettisten in den ersten Bühnenerfolgen, Kabarettpreisen und dem ohne Budget, aber mit großem Aufwand gedrehten Kinokurzfilm "Preußens Gloria" kulminierte. Die meisten Weggefährten aus dieser Zeit waren jetzt auch wieder dabei.

Nur einmal brach zwischendurch der Profi Maxi Schafroth durch, der Tatort-Darsteller, der Stamm-Schauspieler in den meisten Rosenmüller-Filmen sowie der große Hallen bespielende Kabarettist, der fest zum "Extra 3"-Team des NDR gehört und seit einem Jahr bekanntlich auch der neue Fastenprediger beim Nochkerberg-Derblecken ist. Nämlich, als er Auszüge aus der im März kurzfristig ausgefallenen Fastenrede vortrug. Und den Beleg lieferte, wie einzigartig er es versteht, "dem Markus, dem Andi und dem Hubert", also der versammelten bayerischen Politprominenz kräftig gegen das Schienbein zu treten, ohne dass ihm das einer grundsätzlich übel nehmen könnte.

Schön wäre der Nockherberg-Auftritt geworden, nun war er komplett aus der Zeit gefallen. Aber dafür hat Schafroth mit seinem Autokabarett ja fast eine neue, für die Umstände geradezu ideale Darstellungsform erfunden, nicht zu vergleichen mit den aktuell boomenden, aber meist öden Autokino-Tourneen. So einmalig, dass die Premiere am Freitag offensichtlich sogar der Wettergott in Ruhe anschauen wollte und zwischen einem heftigen Gewitter und einer nassen Nacht eine perfekte Regenpause einschob.

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