Es ist ein gestriges Wort für ein Internetportal: Ratsinformationssystem. Klingt nach einer Zeit, als auf biertragerlgroßen Monitoren grüne Buchstaben auf schwarzem Hintergrund blinkten. Und irgendwie schaut das Ratsinformationssystem, kurz RIS, auch ein bisschen nach dieser Zeit aus.
Immerhin, die Homepage des Stadtrats ist in drei Farben gehalten - Schwarz, Weiß, Gelb - und ein paar bunte Fotos gibt es auch. Aber "etwas altbacken", sagt Tobias Hößl, sei es halt schon. Hößl hat deshalb ein eigenes Ratsinformationssystem entwickelt. Es heißt " München transparent", er hat vier Jahre daran gearbeitet, seit Mittwoch ist es online. Seitdem schaut das RIS der Stadt noch viel älter aus.
Warum das RIS total von gestern ist
Auch wenn es nur wenige kennen: Das RIS gibt es seit zwölf Jahren, man kann dort Stadtratsbeschlüsse, -anfragen und -sitzungsvorlagen einsehen. Es ist also ein Portal, das dafür da ist, Sperren aus dem Weg zu räumen. Ziel des RIS ist der freie Zugang zu Informationen aus dem Stadtrat - und der transparente Einblick in dessen Entscheidungen. Doch die Navigation ist kompliziert, die Benutzeroberfläche unübersichtlich. Was 2003, als das RIS online ging, hochmodern war, ist heute nur noch: total von gestern.
Was "München transparent" bietet
Ganz anders kommt jetzt "München transparent" daher. Es ist interaktiv, multimedial, geordnet. Ein bisschen so, als hätte jemand im alten RIS frisch gestrichen, durchgelüftet und vor allem: aufgeräumt. Denn plötzlich findet man, wonach man sucht. Das war auch, was Tobias Hößl am RIS genervt hat: das ewige Suchen. "Ich habe gesehen, dass viele Dokumente da sind, dass man aber nicht an die Daten rankommt. So ist es schwierig, sich auf dem Laufenden zu halten", fand Hößl und begann vor vier Jahren damit, ein eigenes RIS zu programmieren. "Erst mal nur für mich", sagt Hößl, "dann wollte ich, dass auch andere davon profitieren". Er machte immer weiter und weiter, bis er - nach 400, 500 Stunden Arbeit - zufrieden war.
"Eher nerdmäßig" sei es ja schon, aus freien Stücken und ohne Gegenleistung den Wust Hunderttausender Verwaltungsdateien zu sortieren, sagt Hößl. Aber als Bürger wolle er wissen, was hinter den Entscheidungen der Stadträte steckt. Als er 2014 für die Grünen in den Laimer Bezirksausschuss gewählt wurde, "hat mir das noch einmal einen Schub gegeben", erzählt er.
Wer hinter dem Projekt steckt
Hinter "München Transparent" steckt aber nicht nur Hößl, sondern die Open Knowledge Foundation, die das von Google unterstützte Projekt "Code for München" ins Leben gerufen hat. Es soll Programmierer anregen, Informationen öffentlicher Stellen in moderne Webseiten zu verwandeln, damit Bürger schneller Antworten auf ihre Fragen finden.
Zu "Code for München" gehören Journalisten, Webdesigner - und eben Programmierer wie Tobias Hößl, der hauptberuflich Geschäftsführer eines digitalen Forums für Fans japanischer Manga-Comics ist. Das Portal "München Transparent" hat er nebenbei entwickelt. Im Gegensatz zum städtischen RIS, wo man separat nach Anfragen der Stadträte und den dazugehörigen Antworten der Referate suchen muss, liefert "München Transparent" beides auf einen Blick.
Außerdem kann man ein Schlagwort angeben und wird dann laufend per E-Mail informiert, wenn dieses Wort auf der Tagesordnung des Stadtrats auftaucht. Hößl hat den Namen der Straße hinterlegt, in der er wohnt: "Wenn da irgendeine Bauangelegenheit ist, möchte ich einfach benachrichtigt werden."
Wie die Stadt sich Arbeit sparen könnte
Im RIS dagegen gibt es so etwas nicht. Sucht man dort nach Schlagwörtern, gibt es keine Garantie, dass das System etwas findet. Das liege daran, sagt Hößl, dass im RIS viele gescannte Dokumente hinterlegt seien, die von der RIS-Suchfunktion nicht erfasst werden. "München Transparent" dagegen kann auch Scans lesen. Außerdem zeigt es an, welche Stadträte bei Facebook und Twitter aktiv sind, erklärt Fachbegriffe aus der Kommunalpolitik - und zeigt in animierten Videos, wie Stadtratsentscheidungen zustande kommen. Bald soll auch der Live-Stream aus den Stadtratssitzungen über "München Transparent" laufen, zudem ist eine App in Arbeit.
Das Projekt versteht Hößl nicht als Konkurrenz zum RIS - auch wenn es das städtische Portal als antiquiert entlarvt. Im Gegenteil: "Code for München" tauscht sich ständig mit den Behörden aus. Schon allein deshalb, um rechtliche Fragen abzuklären. Hößl hat sogar Verständnis dafür, dass die Stadt bei Webdesign und Datentransparenz hinterher hinkt. "Es fehlt nicht am Willen", sagt Hößl, aber in der Kommunalpolitik dauere es eben "furchtbar lang", bis Dinge ausgearbeitet und umgesetzt werden.
Wenn es nach Tobias Hößl geht, könnte sich die Stadt diese Arbeit sparen - indem sie einfach "München Transparent" als Ersatz für das altbackene RIS übernimmt. Hößl jedenfalls hätte "da natürlich nichts dagegen".