Online-Befragung :Schon Münchens Jugend plagen finanzielle Sorgen

Jungbürgerfest im Münchner Rathaus, 2015

"18.jetzt": Junge Münchnerinnen und Münchner feiern beim Rathaus-Clubbing.

(Foto: Stephan Rumpf)
  • Zum zweiten Mal wollte die Stadt von 15- bis 21-jährigen Münchnern wissen, wie sie sich in der Stadt fühlen, welche Probleme sie haben und was sie verbessern würden.
  • Fast 1300 haben sich an der Online-Umfrage beteiligt.
  • Vor allem die hohen Lebenshaltungskosten machen den Jugendlichen in der Stadt zu schaffen, aber auch Polizeikontrollen und Flüchtlinge beschäftigen viele.

Von Melanie Staudinger

"Wir sind doch die Nutzer", sagt ein Jugendlicher. Seine Schule erhält einen 50 Millionen Euro teuren Neubau, doch wie der aussehen soll, haben andere entschieden: "Keiner der Stadt oder der Architekten war mal da und hat das Gespräch gesucht. Lediglich die Schülersprecher wurden ein wenig miteinbezogen", kritisiert der Jugendliche, der sich an der zweiten Jugendbefragung der Stadt beteiligt hat.

Eines der zentralen Ergebnisse der Studie ist, dass junge Menschen sich in München kaum bis gar nicht ernst genommen fühlen. Egal, ob Schule, Familie, Jobcenter, Politik, Arbeitgeber oder Polizei, so richtig werde Jugendlichen nicht zugehört, findet die Mehrheit der 15- bis 21-Jährigen.

Mit der Jugendbefragung aber will die Stadt genau das tun, erfahren, was die jungen Münchner bewegt. Die Situation, so zeigt sich, hat sich seit der ersten Befragung im Jahr 2013 kaum verbessert. Schon damals monierten die Befragten, dass das Leben in der Stadt viel zu teuer sei. Und auch dieses Mal gaben die Jugendlichen an, dass keine bezahlbare Wohnung zu finden (76 Prozent) und zu hohe Lebenshaltungskosten (74 Prozent) ihre größten Sorgen sind.

Wohnungspreise, MVV-Preise und Eintrittspreise bereiten den Jugendlichen am meisten Schwierigkeiten. Die finanziellen Sorgen werden mit zunehmendem Alter größer. Mehrheitlich können sich die jungen Menschen nicht vorstellen, dass ihr späteres Einkommen ausreichen wird, um in München leben zu können.

Für jeden Zehnten verschlimmert sich die Finanzlage, weil er oder sie die eigenen Eltern oder Geschwister mit unterstützen muss. Viele haben Angst, in der teuren Stadt nicht mehr mithalten zu können. Die jungen Menschen berichten, dass sie Verabredungen teilweise absagen müssen, weil sie sich den Freizeitspaß im Gegensatz zu anderen nicht leisten können. Armut hat noch eine weitere Folge, nämlich Diskriminierung und Benachteiligung. "Die meisten Jugendlichen, die sehr viel haben, machen andere runter, die nicht so viel haben", kritisiert ein Teilnehmer. München wird als Stadt der Erfolgreichen und der Reichen wahrgenommen, in der nicht alle mithalten können.

Ein Einblick in die Lebenssituation junger Menschen

Die Stadt München lässt alle drei Jahre Jugendliche und junge Erwachsene zwischen 15 und 21 Jahren befragen. Die Ergebnisse stellen keine repräsentative Studie dar, sondern sollen einen Einblick geben in die Lebenssituation junger Menschen. Jugendliche waren von Anfang an in die Befragung eingebunden, und sie sollten sowohl die Auswahl zwischen vorgefertigten Antworten haben als auch Raum für ihre eigenen Kommentare.

Für die Entwicklung der Fragen identifizierten 55 junge Leute in fünf Workshops relevante Themen. Von den 4000 Angeschriebenen, einer repräsentativen Stichprobe, machten 1296 bei der Onlinebefragung mit (2013 waren es lediglich 595 Teilnehmer). Im direkten Gespräch mit Jugendlichen verifizierten Fachkräfte der Kinder- und Jugendarbeit die Resultate dann noch einmal.

Die Jungen haben die gleichen Sorgen wie die Erwachsenen

"Die Ergebnisse der zweiten Online-Jugendbefragung haben mich sehr nachdenklich gemacht", sagt Sozialreferentin Dorothee Schiwy, deren Referat die Befragung federführend begleitet hat. Es zeige sich, dass bereits die jungen Münchner zunehmend die Sorgen haben, wie viele der Erwachsenen. "Ziel sollte daher sein, dass auch junge Menschen in den Ausbildungs- und ersten Berufsjahren bezahlbaren Wohnraum finden und sich nicht viel zu hohen Lebenshaltungskosten ausgesetzt fühlen", sagt Schiwy. München müsse auch für die junge Generation attraktiv bleiben.

Allerdings kämpfen Jugendliche nicht nur mit dem Geld. Als problematisch stellt sich zudem das Verhältnis zur Polizei dar. Vor allem männliche Befragte mit Migrationshintergrund und niedrigem Schulabschluss empfinden Sicherheitskontrollen als störend. Sowohl die Kommentare in der Befragung als auch Aussagen in den Workshops belegen ein angespanntes Verhältnis zwischen Polizei und Jugend.

Online-Befragung : Das stört die jungen Leute an ihrer Stadt. (SZ-Grafik; Quelle: Münchner Jugendbefragung)

Das stört die jungen Leute an ihrer Stadt. (SZ-Grafik; Quelle: Münchner Jugendbefragung)

70 Prozent der 19- bis 21- Jährigen gaben an, schon einmal schlechte Erfahrungen bei einer Polizeikontrolle gemacht zu haben. Sie kritisierten ein unfreundliches (82,4 Prozent) oder grobes Verhalten (50,7 Prozent) der Beamten. 81 Prozent konnten den Grund für die Kontrolle nicht nachvollziehen und 54,3 Prozent hatten den Eindruck, dass ihre Kleidung, ihre Frisur oder ihr Schmuck ursächlich sein könnten.

Die Polizei wird aber nicht nur als störend betrachtet. Im Gegensatz zur ersten Befragung gibt es dieses Mal auch Stimmen, die sich mehr Polizeipräsenz wünschten. Zwar wird München als sicher bewertet, die Jugendlichen beschreiben dennoch Ängste und Unsicherheiten. Der Hauptbahnhof samt dem Vorplatz wird als konkreter Ort des Unwohlseins benannt, Bahnhöfe und U-Bahnen stehen vor allem in den Abend- und Nachtstunden für ein Gefühl der mangelnden Sicherheit.

Unseins sind sich die Befragten darüber, wie sich Zuwanderung und Integration in der Stadt auswirken. Diese Themen beschäftigen Jugendliche sehr, allerdings wird in den Antworten eine deutliche Spaltung sichtbar. "In den 116 Kommentaren, die sich auf Themen der Migration und Integration beziehen, klagen zwei Drittel über ,zu viele Ausländer' und eine fehlende Integrationsbereitschaft", schreiben die Verfasser des Begleithefts. Ein Drittel ist hingegen genervt vom zunehmenden Rechtsruck und von der Ausländerfeindlichkeit.

Alles in allem aber leben die meisten Jugendlichen trotz aller Schwierigkeiten gerne in München. 93,7 Prozent schätzen die guten Bildungsmöglichkeiten, 90,4 Prozent die guten Berufschancen. 81,1 Prozent finden, dass es in München alles gibt, was sie brauchen - sofern man es sich denn auch leisten kann.

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