Olympiapark:Über den Zauber der unnützen Dinge auf dem Tollwood

Wer braucht schon eine Kralle zum Kopfkraulen? Beispiele für Dinge, ohne die man zumindest vor dem Besuch des Festivals im Olympiapark gut ausgekommen ist.

Von Laura Kaufmann

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Tollwood Sommerfestival

Quelle: Robert Haas

Das Liebenswerte am Tollwood, das sind nicht die großen Namen auf der Bühne. Es sind die kleinen, verspielten Dinge des Festivals. Dinge, die kein Mensch braucht, eine Kralle zum Kopfkraulen zum Beispiel. Ein Leben lang gut ohne ausgekommen, aber hui, fühlt sich schon lustig an, oder? So schlendert der Besucher an Ständen voller wundersamer Gegenstände vorbei, die ungewohnt riechen, sich seltsam anfühlen oder lustig aussehen. Oft genug wandert etwas davon in die Tasche, etwas Ungewohntes, Faszinierendes, von dem man nie gedacht hätte, dass man es gerne besitzen würde. So etwas kann zum neuen Lieblingsstück werden, oder bis zum nächsten großen Ausmisten im Regal Staub anziehen. Meistens weiß man das nicht vorher.

Seit über einem Vierteljahrhundert behauptet sich das Festival, geboren aus dem Tod einer alternativen Kleinkunstwirtschaft. Gegen Dauerregen, gegen den Vorwurf der Kommerzialisierung, gegen Fußballweltmeisterschaften, gegen viele Trends. Zum Beispiel gegen den aktuellen des Minimalismus und der Shared Economy. Möglichst wenige Dinge besitzen und lieber mit anderen zu teilen - eine hippieske Idee, die das hippieske Tollwood mit seinem Sammelsurium an Wunderlichkeiten aber konterkariert. Ob es ihm schadet? Wohl kaum. Oder hat es jemals jemandem geschadet, sich an einem vergoldeten Blattskelett zu erfreuen? Daran zu glauben, ein hübscher Traumfänger möge einem guten Schlaf den Weg bereiten? Einen Armreifen, gebogen aus einer antiken Gabel zu tragen? Eher nicht. Es sei dem Tollwood-Besucher auch in diesem Jahr vergönnt, sich an solch kleinen Dingen zu erfreuen.

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Die Zimt-Sandale

absurde Tollwood-Klassiker

Quelle: Florian Peljak

Über die Beschaffenheit der Sohlen seiner Schuhe macht sich der Normalbürger meist wenig Gedanken. Erst recht nicht über die Beschaffenheit der Schuhsohlen von Vietnamesen. Die seien nämlich überaus oft mit Zimt gefüllt, erklärt Josef Haslbeck, das sei dort eine alte Tradition. Denn Zimt wirkt sich durchblutungsfördernd auf die Füße aus, so sagt er, weswegen der Fuß, auf Zimt gebettet, immer eine angenehme Temperatur habe. Im Norden Vietnams werde der Zimt in Schuhsohlen eingearbeitet, im Süden in Strohsandalen. Haslbeck verkauft beides an seinem Stand, seit nun schon 20 Jahren: "Demnach muss es also etwas Gutes sein", sagt er. Prompt kommt eine Frau auf seinen Stand zu, "Ich bräucht' schon wieder ein neues Paar."

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Der Chakra-Smoothie

absurde Tollwood-Klassiker

Quelle: Florian Peljak

Neu auf dem Tollwood ist das Flower-Power-Zelt Hippiedrom. Drin verformen sich biegsame Menschen zum Sonnengruß, kaufen Schlaghosen und trinken nach Chakren empfohlene Smoothies. Halt - Chakren? Das sind laut Yoga-Tradition Zentren der Lebensenergie im Körper, die mit verschiedenen Zutaten angeregt werden. Der gelbe Smoothie mit Mango, Banane und Karotte etwa soll das Sakral- oder Solarplexus- oder Sonnen-Chakra aktivieren, zuständig für das Vertrauen in sich selbst, Freude am Leben und die Verbindung zur Lebensspenderin Sonne. Das lässt sich nachlesen auf Infoschildern an dem bunten Hippiebus. Man kann sich so also einreden, besser drauf zu sein nach dem Genuss des Getränks. Vielleicht aber auch nur, weil es gut geschmeckt hat.

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Die Gips-Hand

absurde Tollwood-Klassiker

Quelle: Florian Peljak

Gipshände ragen vor dem Stand von Reinhard Hüllsieck in die Höhe. Auf den ersten, flüchtigen Blick fast gruselig, wie blasse Zombiehände, die sich aus den Gräbern eines Friedhofs strecken. Die Gipshände sind aber kein Grund zum Fürchten, eher ein Denkmal für die Liebe. Seit elf Jahren formt Hüllsieck auf dem Tollwood Hände aus Gips nach, Kinderhände als Erinnerung, meistens aber die verschränkten Hände eines Pärchens, ein Herz haltend. Halt die Liebe fest, nennt er diese Form. Im Herz steht dann zum Beispiel das Datum, an dem das Pärchen sich kennen gelernt oder geheiratet hat. Wer sich in Hüllsiecks Hände begibt, muss etwas Geduld mitbringen; aber nach einem ausgedehnten Tollwoodbummel ist der Abguss ausgehärtet und fertig zum Mitnehmen.

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Der Schoko-Döner

absurde Tollwood-Klassiker

Quelle: Florian Peljak

Es gibt so viele tolle, originelle Gerichte zu essen auf dem Tollwood. Vom peruanischen Ceviche bis zu Kotti Rottu aus Sri Lanka. Und dann gibt es da noch den Schoko-Döner. Döner liebt eigentlich jeder, der nicht gerade Vegetarier ist. Aber als süße Variante? Thomas Bieringer, dessen Tochter Laura Bieringer den Stand auf dem Tollwood betreibt, hat sich den Döner mit Schokoladenfüllung vor acht Jahren sogar patentieren lassen. Von einem Schokoladenspieß mit dunkler und weißer Schokolade wird der Döner-Inhalt heruntergeraspelt und dann serviert mit Mango-, Kirsch- oder Amarettosoße. Obendrauf gehört noch Sahne, ungesüßt. Auf dem Winter-Tollwood ist das der Renner, aber auch jetzt, an einem heißen Tag, bildet sich eine kleine Schlange vor dem Stand.

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Die Schmuck-Münze

absurde Tollwood-Klassiker

Quelle: Florian Peljak

Thomas Jaekel steht vor seinem Stand und sägt an einer Münze, kunstvolle Formen schneidet er aus den Metallstücken aus, Buchstaben, eine Menora oder einen Baum. Je nachdem, was die Währung hergibt. Auf dem Tollwood ist er zum ersten Mal. Er ist von weither angereist, seinen Geschäft hat er eigentlich in Dresden. "Aber die Touristenzahlen sind ziemlich zurückgegangen mit den Dresden-Schlagzeilen der vergangenen Jahre", sagt er. Vor allem kleine Läden wie der seine bekämen das zu spüren. Und Touristen aus Bayern, die sich zu ihm verirrt hatten, hatten ihm immer wieder gesagt: Du müsstest mal aufs Tollwood mit deinen Sachen! Also hat er dieses Jahr ernst gemacht und seinen Stand hier aufgebaut. Wenn die Kunden nicht mehr zu ihm kommen, kommt er eben zu ihnen.

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Die Bier-Kerze

absurde Tollwood-Klassiker

Quelle: Florian Peljak

Was wäre das Tollwood ohne Kerzen. An Klaus Pfefferkorns Stand gibt es sie in allen Formen, Farben und Größen. Früher betrieb Pfefferkorn auch ein Bistro in Waldhambach, und seinen Stammkunden schenkte er zu Weihnachten eine Bierkerze. In einem normalen Glas, gefüllt mit wabbeligem Gelwachs. Bei seinen Gästen kam das so gut an, dass Pfefferkorn alsbald auch welche auf dem Tollwood herstellte. Dort hat er mit den Kerzen im Glas sein Alleinstellungsmerkmal. Zu den Bierkerzen kamen über die Jahre noch Wein und Sekt, dann Cocktails, Longdrinks, sogar Schnäpse. Ein komplettes Sortiment einer Bar ist mittlerweile in Kerzenform an seinem Stand aufgebaut. Ist die Kerze runtergebrannt, lässt sich das Glas ausspülen und mit einem echten Getränk füllen.

Fotos: Robert Haas, Florian Peljak (6)

© SZ/axi
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