Olympiahalle:Böhse Onkelz auf Feldzug gegen das Establishment

Böhse Onkelz

Die Böhsen Onkelz.

(Foto: Alexander Laljak)
  • Die Böhsen Onkelz sind eine der umstrittensten deutschen Rockbands.
  • Nach einer fast zehnjährigen Pause sind sie mit ihrem neuen Nummer-eins-Album "Memento" wieder auf Tour.

Von Stefan Sommer

Wie ein Kirmesboxer stolziert er über die Bühne: Kevin Russel spannt den Bizeps an, stößt einen Kampfschrei aus und blickt mit aufgerissenen Augen herausfordernd in die Menge. Der selbstbetitelte "Stachel im Arsch der Nation" ist zurück - oder wie Ben Becker es im Sommer 2015 als Anheizer für 100 000 Fans auf dem Hockenheimring nahe am Sonnenstich formulierte: "Sie steigen hinab zu uns wie die Engel."

Die Böhsen Onkelz, eine der umstrittensten deutschen Rockbands, sind nach fast zehnjähriger Pause mit ihrem neuen Nummer-eins-Album "Memento" wieder auf ihrem Feldzug gegen das Establishment. Der erste von zwei Auftritten in der Olympiahalle am Montagabend zeigt, wie eine postfaktische deutsche Gegenkultur 2016 tickt - ein Einblick in die Filterblase der Anderen. Eine verkürzte Textexegese der Onkelz-Hits aus 30 Jahren Band-Geschichte läse sich wie folgt: Das Leben ist hart; man wird belogen und betrogen; der Staat, die Kirche, die Medien verarschen die Normalen, die Aufrechten; aber Errettung ist möglich: Freundschaft und Nation geben Halt.

Dieses wütende Opfer-Narrativ des Außenseiters, der sich treu bleibt und von der Mainstream-Gesellschaft nicht verbiegen lässt, inszeniert die Band um den Sänger Kevin Russell und den Songwriter Stephan Weidner auch in der Olympiahalle. Alte Songs wie die beißenden Hardrock-Nummern "Auf gute Freunde", "10 Jahre" oder "Dunkler Ort" und gitarrenlastige Songs vom neuen Album wie "Gott hat ein Problem" und "Jeder kriegt was er verdient" spielen auch live mit diesem unbehaglichen Gefühl, von der Welt verstoßen, isoliert und vergessen zu sein.

In ihrer altbekannten Wir-Gegen-Die-Rhetorik bleiben sie schwammig und spalten die Gesellschaft in In-, und Exkludierte - eine Strategie, mit der auch andere heimattreue Gruppen wie Freiwild derzeit ein Massenpublikum um sich scharen.

Bestimmte Medien gehören im Outlaw-Kosmos der Onkelz klar zu den Ausgeschlossenen: Für das Konzert verweigerte das Band-Management der Süddeutschen Zeitung eine Akkreditierung. Die Band, die Mitte der Achtziger- und zu Beginn der Neunzigerjahre wegen fremdenfeindlicher Texte ("Türken raus") der rechten Szene zugeordnet wurde, beteuert seit einigen Jahren stets, sich davon distanziert zu haben. Wenn die Läuterung, die Abkehr von den strammen Tagen also vollzogen ist, warum dann dieses Versteck-Spiel?

Lieder wie "Danke für Nichts" sind Hymnen für Verbitterte, die das sehr männliche Publikum, das hier nun für 69 Euro Eintritt endlich Linderung in der Gemeinschaft findet und für das trotz aller Versprechungen eben nie der German Dream in Erfüllung ging, frenetisch feiert. Für den weißen heterosexuellen Mann ist alles furchtbar kompliziert und bedrohlich geworden. Da tut es ihm gut, wenn er in der Zugabe wie früher einfach mit den Kameraden "Mexico" - ein Lied von 1985, aus der Zeit vor der Läuterung, von dem sich die Böhsen Onkelz wohl noch nicht distanziert haben - gröhlen darf: "Siegesgewiss fahr'n wir nach Mexiko, Um uns're Elf zu seh'n, Im Siegesrausch, voller Alkohol, Lassen wir die Fahnen weh'n."

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