Olympiadorf:Mut zum Miteinander

Vierzehn evangelische Kirchengemeinden im Münchner Norden laden erstmals zu einem Kirchentag ein. Im Mittelpunkt stehen Flüchtlinge, Menschen am Lebensende und die Schöpfung

Von Nicole Graner, Olympiadorf

"Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln. Er weidet mich auf einer grünen Aue und führet mich zum frischen Wasser. Er erquicket meine Seele." So beginnt einer der bekanntesten Psalmen in einer Übersetzung Martin Luthers, der Psalm 23. Welch Vertrauen liegt dem Satz zugrunde, sich Gott anzuvertrauen und in Christus Geborgenheit zu finden. Welche Zuversicht, sich im Gefühl dieser Geborgenheit sicher zu fühlen, ohne die Angst, zu scheitern! Und doch zeigt der Psalm auch, dass die Vision, die Hoffnung von der "grünen Aue" im Alltag zerfällt, dass es sehr oft an etwas mangelt: an Empathie, an Mut und am gelebten Miteinander. Dass nun der erste evangelische Kirchentag im Münchner Norden, der vom 10. bis zum 12. Juni stattfinden wird, den Psalm 23 in den Fokus rückt, ist angesichts der Flüchtlingsthematik und der vielen Ängste fast naheliegend. Und schön.

"Mir wird nichts mangeln" - das Motto des Kirchentags, an dem sich die 14 evangelischen Kirchengemeinden im Münchner Norden beteiligen, ist, wie der Dekan des Evangelisch-Lutherischen Prodekanats München-Nord, Uli Seegenschmiedt, bei der Pressekonferenz im Gemeindezentrum der evangelischen Olympiakirche erklärt, "ein ganz wunderbares". Zeige es doch alle Bandbreiten des Menschseins auf. Das Fallen ("Und ob ich schon wanderte im finstern Tal"), aber vor allem das Aufgefangensein. Auch die Veranstaltungen des Kirchentages wollen diese Bandbreite spiegeln - von der Beschäftigung mit dem Thema "Mangel" bis zur Fülle und mit dem tröstlichen Gedanken, dass es weitergehe. So thematisieren die drei Eröffnungsgottesdienste in der Evangeliumskirche Hasenbergl, in St. Ulrich Unterschleißheim und in der Friedenskirche Dachau den Mangel in der Wohlstandsgesellschaft. Da geht es vor allem um die Furcht und das Verlassensein - basierend auf dem Bibeltext aus dem ersten Buch der Könige Kapitel 19. Beim Schlussgottesdienst am 12. Juni auf dem Curt-Mezger-Platz in Milbertshofen steht die Speisung der 5000 (Markus 6, 33-44) im Mittelpunkt und damit sehr genau das Thema "Vom Mangel zur Fülle".

Parkende Autos am Curt-Mezger-Platz, vor dem Kulturhaus Milbertshofen

Zeit für Stille und Begegnung: Die Dankeskirche.

(Foto: Florian Peljak)

Die Idee zu einem evangelischen Kirchentag im Prodekanat Nord entstand vor zwei Jahren - aus einer kurzen Bemerkung der Regionalbischöfin Susanne Breit-Keßler. Sie habe sich, so Seegenschmiedt, einfach so einen Tag gewünscht. Ein bisschen Geld war da, also begann man mit der Planung. Sieben Kirchengemeinden in der Stadt und sieben im Münchner Umland seien sofort bereit gewesen, die Chance zu nutzen, Gemeinden zu präsentieren und Themen in der Öffentlichkeit bewusst zu machen. "Die Voraussetzung dazu war, dass alle Gemeinden des Prodekanats seit Jahren ein großes Maß an Solidarität pflegen", sagt Seegenschmiedt. Einen Kirchentag könne man nicht einfach von oben verordnen, da müsse eine Bereitschaft von vornherein gegeben sein. Kirchen hätten auch die Aufgabe, gesellschaftliche Themen aufzugreifen und in einen Diskurs zu bringen.

Vier Bereiche werden am Kirchentag besonders im Mittelpunkt stehen: das Thema Flüchtlinge, der Umgang mit Menschen, die am Lebensende stehen, die Themen Entschleunigung und Schöpfung. So wird Astrophysiker Harald Lesch am 10. Juni in St. Ulrich in Unterschleißheim sprechen, Margot Käßmann sich am 11. Juni mit dem Psalm 23 beschäftigen, Kabarettist Christian Springer als Gründer des "Vereins Orienthelfer" mit syrischen Kriegsopfern. Ein Konzert spielt die christliche Popmusikerin Judy Bailey am 11. Juni. Es gibt Bibelgespräche, ein Kindermusical, Diskussionen und auch, das ist Seegenschmiedt ganz wichtig, Raum für Stille und Begegnung.

Sabine Nagel in der Heilig-Geist-Kirche in München, 2011

Pfarrerin Sabine Nagel von Heilig Geist.

(Foto: Sru)

Mit einem vergleichsweise geringen Budget von knapp 65 000 Euro haben die Organisatoren den Kirchentag gestemmt. Doch noch braucht es Helfer: Verkehrsregler, Bühnenaufbauer, Sanitätspersonal. Ein Helferkreis trifft sich am Dienstag, 26. April, 19.30 Uhr, in der Dankeskirche, Keferloherstraße 70. Alle Helfer erhalten, wie Pfarrer Bernhard Götz von der Olympiakirche sagt, ein T-Shirt. Mit der Aufschrift vorne: "Ich helfe". Und hinten: "Mir wird nichts mangeln". Passt genau.

Evangelischer Kirchentag München Nord, 10. bis 12. Juni, weitere Informationen zum Programm unter www.ekmn.de. Die Veranstaltungen sind kostenlos.

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