Andrei Spitzer hatte einen Stoffdackel gekauft, als Mitbringsel für seine Tochter Anouk: Waldi, das Olympia-Maskottchen, bunt gestreift in den Farben der Sommerspiele von 1972. Er hat ihn ihr aber nicht mehr geben können.
In der Nacht vom 5. auf den 6. September 1972 wurde Spitzer von palästinensischen Terroristen erschossen, während des völlig missglückten Befreiungsversuchs der Polizei auf dem Fliegerhorst Fürstenfeldbruck.
Und als anderntags Ankie Spitzer, nunmehr Witwe, den Ort der Geiselnahme besichtigte, das Haus Connollystraße 31 im Olympischen Dorf von München, da fand sie diesen Dackel und nahm ihn mit heim nach Israel. Wo er bis heute bei ihr zu Hause steht.
Waldi und die so früh auseinandergerissene Familie Spitzer stehen nun auch mitten im Erinnerungsort an das Olympia-Attentat, der an diesem Mittwoch eröffnet wird. Kern der Gedenkstätte ist die Erinnerung an die zwölf Opfer: elf Mitglieder der israelischen Olympia-Delegation und der Polizist Anton Fliegerbauer, der ebenfalls im Kugelhagel auf dem Fliegerhorst ums Leben kam.
Auf je einer gläsernen Gedenkwand, zentral gruppiert auf einer keilförmigen Säule, werden ihre Leben in Kurzform referiert und Bilder gezeigt. Von Spitzer - 1945 als Kind von Holocaust-Überlebenden in Rumänien geboren, 1964 nach Israel emigriert, wo er zum Fechttrainer wurde - sind dies ein Porträt, ein Hochzeitsbild, auf dem er und Ankie Spitzer durch ein Spalier von Fechtdegen schreiten, ein Bild mit seiner Tochter, die zwei Monate alt war, als er nach München zu den Olympischen Spielen reiste - und eben ein Foto von Waldi.
So wie die Ausstellungsmacher von jedem der Opfer einen persönlichen Gegenstand präsentieren, der sie mit den Spielen 1972 verbindet: eine Postkarte aus München an die Daheimgebliebenen zum Beispiel oder auch einen Sprachführer. So kommen dem Betrachter die zwölf Menschen sehr nahe, bleiben nicht nur anonyme Opfer eines historisch bedeutsamen, weltweit beachteten Ereignisses, eines Terroranschlags.
Auch das Leben der zwölf Attentatsopfer wird dokumentiert, wie Kultusminister Ludwig Spaenle zeigt.
(Foto: Stephan Rumpf)Das ist ja auch ein wichtiges Ziel des Erinnerungsortes, der am Kolehmainenweg steht, zwischen dem Olympiadorf und den Sportstätten, etwas westlich der Tennisanlage. "Wir wollten den Opfern vor der Weltöffentlichkeit ein Stück weit ihr Gesicht und ihre Persönlichkeit wiedergeben", sagt Kultusminister Ludwig Spaenle, der dieses Projekt verantwortet und mit Verve vorangetrieben hat.
Das geschah in enger Abstimmung mit den Hinterbliebenen, und auch deshalb ist Waldi von Bedeutung: Nicht nur weil er die Ausstellungsmacher auf die Idee mit den persönlichen Erinnerungsstücken brachte, wie Jörg Skriebeleit erzählt, der Leiter der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg und einer der drei Urheber des Konzepts für den Erinnerungsort. Sondern auch weil er zeige, welch großes Vertrauen die Angehörigen den Münchner Projektverantwortlichen entgegengebracht hätten. Ankie Spitzer wäre sogar bereit gewesen, den Stoffdackel, der ja quasi ein "Familienheiligtum" sei, im Original ausstellen zu lassen, berichtet Skriebeleit.