Olympiabewerbung von Pyeongchang:Mit aller Macht

Der Staatschef nimmt extra Englischunterricht: Pyeongchang überlässt bei der Bewerbung nichts dem Zufall. Zwei Mal sind die Südkoreaner beim IOC bereits gescheitert, doch nun gelten sie als Favorit - auch wenn ihr Konzept teils bizarre Züge trägt.

Volker Kreisl

Es wird spät werden in Pyeongchang, in Gangneung, in Seoul und im übrigen Land - aber am Donnerstag kurz nach Mitternacht wird jeder Südkoreaner, der irgendwie kann, vor dem Fernseher sitzen, um die Entscheidung über die Olympiavergabe zu verfolgen. Zu lange hat man warten müssen, um diese Winterspiele zu bekommen.

123rd IOC Session Durban 2011

Das Gesicht der Bewerbung: Eiskunstlaufolympiasiegerin Kim Yu-Na wirbt in Durban für Pyeongchang.

(Foto: Getty Images)

Mehr als zehn Jahre sind vergangen seit der ersten Bewerbung, und inzwischen hat die große Mehrheit der Südkoreaner die Winterspiele als gemeinsame Sache angenommen.

Deutlich wird das auch an der südkoreanischen Delegationsspitze in Durban. Anders als Annecy und München wird Pyeongchang vom Regierungschef vertreten, manches Mitglied im Internationalen Olympischen Komitee (IOC) legt Wert darauf. Staatspräsident Lee Myung Bak wird zudem von zwei Kabinettsmitgliedern begleitet, von Außenminister Kim Sung Hwan und Sportminister Choung Byoung Gug.

Kein Mitbewerber soll diesmal mit mehr politischer Macht im Rücken antreten - überhaupt, nichts wird dem Zufall überlassen. Der Staatschef ist seit Samstag da, und er hat sich seit längerem schon einen Englischlehrer genommen. Lee will vor der Vollversammlung Englisch sprechen, angeblich tut ihm schon der Hals weh, weil er die Aussprache so hart übt. Man dürfe sich diesmal keinen Fehler mehr erlauben, hatte Lee am Wochenende gesagt.

An den technischen Einzelheiten der Bewerbung ist kaum etwas auszusetzen. Bis auf wenige Sportstätten, darunter die aufwendige Bob- und Rodelbahn, die erst nach dem Zuschlag gebaut wird, stehen die wesentlichen Anlagen bereits in den Bergen im Nordosten des Landes. Sämtliche Neubauten entsprechen, so die Bewerber, neuestem technischen Standard.

Der große Horizont

Im Alpensia-Park erhebt sich eine moderne Skisprungschanze, unmittelbar daneben stehen das Biathlon-Stadion und die Langlauf-Arena. Wenige Kilometer südlich liegt das Alpin-Skizentrum Yongpyong, dort fanden seit 1998 vier Weltcups statt. Die Eislaufwettbewerbe sollen in der 45.000-Einwohner-Stadt Gangneung an der Ostküste ausgerichtet werden.

Alle Sportstätten liegen in einem Umkreis von 30 Kilometern, das ist eines der Hauptargumente, mit dem die Südkoreaner die Bedenken im IOC zerstreuen wollen. Vielleicht fehlt der Region eine Metropole mit einem attraktiven Stadtzentrum, vielleicht fehlt dem ganzen Land auch die Erfahrung, wenn es darum geht, Wintersport-Stimmung zu entfachen - dafür aber bietet Pyeongchang einen überschaubaren Olympiapark.

Die Gäste würden erstmals seit vielen Jahren bei Olympia nicht mehr Stunden in Shuttle-Bussen und Taxis verschwenden. Sogar die Anreise aus dem rund 160 Kilometer entfernten Seoul soll mit einer modernen Zuganbindung beschleunigt werden.

Ein anderes Argument zielt dagegen auf den ganz großen Horizont ab, den riesigen Wintersportmarkt, der angeblich in Fernost erschlossen werden könnte. Lee Myung Bak und seine Mitstreiter sprechen davon, den Wintersport im Falle einer Zusage in ganz Asien wachsen zu lassen, auch in unterentwickelten Ländern. Yongpyong verzeichnet schon heute etwas Alpin-Ski-Tourismus aus Nachbarländern; wie groß der Markt aber tatsächlich ist, bleibt abzuwarten.

Nicht zu bezweifeln ist dagegen die Zahl der bisherigen Olympiabewerbungen. Beim dritten Mal, das haben die Südkoreaner immer wieder in Durban betont, seien sie nun endlich dran.

Lesen Sie hier eine Reportage aus "Disneys Winterwunderland" Pyeongchang.

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