Oliver Welke an der LMU:"Du darfst nichts Halbgares servieren, auch in der Satire nicht"

Lesezeit: 4 min

Satiriker Oliver Welke an der LMU in München. (Foto: Sebastian Gabriel)

Drei volle Hörsäle: Der Satiriker Oliver Welke spricht an der Ludwig-Maximilians-Universität über die Frage, was Satire leisten kann - und erklärt, warum er AfD-Mann Björn Höcke immer wieder Bernd nennt.

Von René Hofmann

Kurz vor Ende der zweiten Ehrenrunde kommt Oliver Welke dann um einen besonderen Witz nicht mehr umhin: um einen über die Woge der Zuneigung, die ihm an diesem Abend entgegenbrandet. 90 Minuten hat er da bereits in einem proppenvollen Hörsaal geredet, danach, auf dem Weg in einen zweiten Hörsaal, in den all das per Livestream übertragen wurde, hat er schon ein Dutzend Autogramme geschrieben und in den Fluren des Hauptgebäudes der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) für mehr als ein Dutzend Selfies posiert. Und nun steht er da, im dritten, ebenfalls bis auf den letzten Platz gefüllten Saal, und setzt eine Schlusspointe: "Okay, gleich eröffne ich dann noch einen Baumarkt." Auch dieser Satz wird mit tosendem Applaus quittiert.

"Was kann Satire?" Das ist die Frage, unter der die Veranstaltung steht, die das Institut für Kommunikationswissenschaft und Medienforschung der LMU in Kooperation mit der SZ sowie jetzt, dem jungen Magazin der Süddeutschen Zeitung, und unterstützt von der Mediaschool Bayern am Montag ausrichtet. Aber bevor es um die geht, ist erst einmal eines festzuhalten: Trotz aller Amazon- und Netflix-Angebote - diese Satire ist ganz offensichtlich immer noch extrem beliebt, zumindest in der Form, in der sie Welke seit nunmehr zehn Jahren in der "heute-show" im ZDF am Freitagabend anbietet. 30 Minuten, drei Themen, bunt gemischt aus aktuell politischen und bewusst selbst gesetzten Stoffen. Die Aussicht, mehr darüber erfahren zu können, lockt so viele, dass die Große Aula schon eine gute halbe Stunde vor Beginn überfüllt ist. Deutlich mehr als 1500 Neugierige kommen letztlich zusammen, die allermeisten Studierende.

Facebook

Die SZ-Redaktion hat diesen Artikel mit einem Inhalt von Facebook angereichert

Um Ihre Daten zu schützen, wurde er nicht ohne Ihre Zustimmung geladen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir Inhalte von Facebook angezeigt werden. Damit werden personenbezogene Daten an den Betreiber des Portals zur Nutzungsanalyse übermittelt. Mehr Informationen und eine Widerrufsmöglichkeit finden Sie untersz.de/datenschutz.

Also, was kann Satire und was darf sie - und hat sich all das geändert in den vergangenen Jahren, in denen es so gravierende politische Verschiebungen gab? Die Moderation lenkt Diana Rieger, Professorin für Wirkungsforschung und Medienpsychologie an der LMU. Und schnell wird klar: Das Duo auf der Bühne ergänzt sich gut. Denn der Satiriker gibt vor allem den Satiriker. Trotz Publizistikstudiums: Mit der Medientheorie wurde Welke nie wirklich warm. "Die Medienwirkungsforschung fand ich immer erbärmlich, die hat doch wirklich nichts rausbekommen", schmettert er der Expertin für genau dieses Gebiet entgegen. Sein Credo: Lieber nicht zu viele Gedanken darüber machen, was wie bei wem ankommt und auch nicht "zu viel Marktforschung, das wird sonst nur krampfig". Sein Ziel? Die Zuseher auf unterhaltsame Weise auf Themen stoßen und ihnen einen neuen Blickwinkel darauf eröffnen. Zwei, drei Mal sollen sie in einer Sendung denken: "Oh, das hätte ich so nicht gedacht."

Mindestens drei Redakteure, die Themen prüfen und recherchieren. Ein Dutzend Studenten, die Nachrichtenclips sichten. Sieben Autoren, die an den Pointen feilen; davon inzwischen nur noch die Hälfte Männer, ganz ohne festgeschriebene Quote. Dazu Grafiker. Rund 50 Menschen sind damit beschäftigt, dass die Show jeden Freitag um 18 Uhr in Köln aufgezeichnet werden kann. Etwa ein Drittel der Themen, die am Montag ausgeguckt werden, sterben im Lauf der Woche; weil sie nicht zünden oder weil sie sich beim genauen Hinschauen doch als anders als gedacht entpuppen. "Heute ist alles überprüfbar", sagt Welke, "du darfst nichts Halbgares servieren, auch in der Satire nicht."

Die Große Aula der LMU ist während der Veranstaltung voll besetzt. (Foto: Sebastian Gabriel)

Die Debatte darüber, ob man manche Sachen nicht mehr sagen dürfe, befremdet ihn dagegen. Jenseits von Beleidigungen, Volksverhetzungen und Morddrohungen könne man selbstverständlich alles sagen. "Und danach können andere sagen, was sie davon halten." Selbst Shitstorms seien nichts Neues. Neu sei lediglich, dass diese selbst wieder zum Anlass für Berichterstattung werden - womit die Diskussion auf ein Themenfeld biegt, das am Ende mehr als die Hälfte der Zeit einnehmen wird: die AfD und den Umgang mit ihr.

Nicht über jedes Stöckchen springen, sie inhaltlich stellen: Was Welke und seine Mit-Satiriker für die Partei als Handlungsmaxime entwickelt haben, haben sie nicht exklusiv. Was aber wohl nur ein Satiriker kann: Den Fraktionsvorsitzenden der AfD im Thüringer Landtag, Björn Höcke, demonstrativ immer wieder "Bernd" zu nennen, weil das diesem offenbar tatsächlich missfällt. Welke erzählt die Anekdote als kleines Beispiel für die These: Satire kann tatsächlich etwas bewirken. Als größeres Beispiel fällt ihm Jan Böhmermanns satirisches Gedicht über den türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğan aus dem März 2016 ein, weswegen Ende 2017 der Paragraf 103 des Strafgesetzbuchs abgeschafft wurde, der die Beleidigung ausländischer Staatsoberhäupter gesondert unter Strafe gestellt hatte.

Das Gespräch mit Welke steht in einer Reihe von Veranstaltungen. Am kommenden Dienstag kommt ZDF-Journalist Claus Kleber (19 Uhr/Große Aula). Seine Kolleginnen Anne Will und Dunja Hayali sowie ORF-Moderator Armin Wolf waren bereits da, auch die ehemalige Bundesjustizministerin Katarina Barley. Ein Thema zog sich durch die meisten Gespräche: der Hass, der im Internet entfesselt wird, wenn sich Meinungsträger klar positionieren, vor allem gegen Rechte. Welke kennt den auch, will ihn aber nicht überbewerten. Kein Twitter, kein Facebook, kein Instagram, noch nicht einmal Whatsapp: Vieles blendet er so aus. Hassanrufe? Doch, die gebe es: "Von meiner Frau." Und Hasszuschriften hätten ihn auch schon auf Postkarten in Sütterlinschrift erreicht: "Diese Art von Rumpesten gab es immer schon." Einen Brief hat er sich eingerahmt und über den Schreibtisch gehängt. "Herr Welke, wann werden Sie es endlich kapieren? Meinungsäußerungen haben in einer Satiresendung nichts zu suchen!"

Ein Jahrzehnt "heute-show". Ob er noch eines schafft, will einer aus dem Publikum zum Abschied wissen? "Sicher nicht", antwortet Welke, 53, "ein paar Jahre mache ich noch, aber sicher keine zehn mehr." Es ist einer der wenigen Sätze an diesem Abend, für den er keinen Lacher erntet und auch keinen Applaus.

© SZ.de/hof - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Soziale Netzwerke
:Satire ist schwierig

Digitale Meinungsfreiheit: Wegen eines Witzes ist der Twitter-Account des Schriftstellers Tom Hillenbrand seit Monaten gesperrt.

Interview von Simon Hurtz

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: