Süddeutsche Zeitung

Wildstuben auf dem Oktoberfest:Gestreckte Wiesnmass? Wirbel um Internet-Video

Der kurze Ausschnitt zeigt einen Kellner, der aus einem vollen Spülbecken gelbliches Wasser in Bierkrüge abschöpft. Der Wirt hat dafür eine Erklärung.

Von Franz Kotteder

Es sind nur 28 Sekunden, aber die haben es in sich. Das Video mit dem Titel "Wiesn 2022 Wildstuben" zeigt einen Kellner am Schanktisch, der aus einem vollen Spülbecken gelbliches Wasser in Bierkrüge abschöpft, während die Kapelle im Hintergrund "Layla" spielt. Einmal kommt eine Bedienung vorbei, holt Bierkrüge mit schönen Schaumkronen ab und geht wieder. Beim flüchtigen Ansehen könnte man den Eindruck gewinnen, der Schankkellner habe das Bier mit Schmutzwasser gestreckt, und das ist wohl auch der Grund dafür, dass das Video in den sozialen Netzwerken am Freitag fleißig geteilt wurde.

Es sieht auf den ersten Blick auch ziemlich eklig aus, was da geschieht. Aber tatsächlich ist nirgendwo zu erkennen, dass Schmutzwasser in Bierkrüge wandert, die von der Kellnerin abgeholt werden. Der Wirt der Wildstuben, Klaus Renoldi, hat auch eine einfache Erklärung für das, was auf dem Video zu sehen ist: "Das ist nur ein kurzer Schnipsel", sagt er am Telefon, "würde man alles sehen, dann wäre klar, was da geschieht".

Eines der Spülbecken am Schanktisch sei verstopft gewesen, und der Schankkellner sei gerade dabei gewesen, es leer zu schöpfen. Das Schmutzwasser habe er in halbleere Masskrüge gegossen, weil gerade nichts anderes zur Hand war. "Ich habe ihm gesagt", so Renoldi weiter, "nächstes Mal, wenn so etwas ist, bitte einen Eimer holen und den hinstellen, damit bei den Leuten erst gar kein falscher Eindruck entstehen kann". Für diese Darstellung spricht, dass selbst Trinker im fortgeschrittenen Zustand sofort einen deutlichen Unterschied zu richtigem Wiesnbier feststellen dürften.

Die Wildstuben sind mit 751 Sitz- und 32 Stehplätzen eines der größeren unter den kleinen Zelten und befinden sich gleich links am Eingang zur Wiesn an der Matthias-Pschorr-Straße beim Esperantoplatz. Ausgeschenkt wird Augustiner-Wiesnbier aus Holzfässern. Die Wildstuben gibt es seit 2009 auf der Wiesn, betrieben werden sie von der Schaustellerfamilie Renoldi aus Bremen, die vergleichbare alpenländisch angehauchte Bierzelte, zum Beispiel unter dem Namen "Königsalm", auch bei anderen großen Volksfesten aufstellt.

Klaus Renoldi betreibt darüber hinaus auf dem Oktoberfest auch die große Indoor-Achterbahn "Höllenblitz". Im Jahr 2019 war die Schaustellerfamilie in die Schlagzeilen geraten, weil die Staatsanwaltschaft Vorermittlungen wegen Korruptionsverdacht gegen sie eingeleitet hatte. Es war damals um einen Standplatz auf dem Bremer Freimarkt gegangen, einem der größten Volksfeste Norddeutschlands mit jährlich rund vier Millionen Besuchern.

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