Oktoberfest:Wiesnwirt Wiggerl Hagn zieht sich zurück

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65 Jahre war der 79-Jährige auf der Wiesn. "Kurz vor Weihnachten habe ich mich gefragt, ob ich mir das noch einmal antun will." Er verzichtet auf das Löwenbräuzelt - es soll aber in der Familie bleiben.

Von Franz Kotteder

Wiggerl Hagn, der am längsten amtierende Wiesnwirt, bewirbt sich in diesem Jahr nicht wieder um das Löwenbräuzelt. Wie jetzt bekannt wurde, hat er darauf verzichtet, bis zum Ablauf der Frist am 31. Dezember 2018 eine Bewerbung bei der Stadt einzureichen. "Kurz vor Weihnachten habe ich mich gefragt", sagt der 79-Jährige, "ob ich mir das noch einmal antun will. Dann dachte ich mir, ich könnte ja eigentlich auch gleich aufhören." Ein selbst gewählter Abschied sei ihm immer noch lieber als ein möglicherweise durch den Stadtrat erzwungener. Denn immer noch steht die Frage im Raum, wie es die Stadtverwaltung bewertet, dass Hagn fehlerhafte Angaben zum Umsatz seines Zeltes im Jahr 2017 gemacht hat. Unter Umständen hätte sie ihn als Wirt wegen Unzuverlässigkeit ablehnen können.

Große Veränderungen wird es im Löwenbräuzelt aber wohl nicht geben. Denn Hagns Tochter Stephanie Spendler, mit der zusammen er das Zelt schon in den vergangenen 20 Jahren führte, hat sich wieder beworben, zusammen mit ihrem 22-jährigen Sohn Lukas. Er war in der inoffiziellen Erbfolge der Wiesnwirte-Dynastie Hagn ohnehin schon als Nachfolger vorgesehen. Der Generationenwechsel wird durch die aktuellen Ereignisse also lediglich beschleunigt.

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Einen Teil hat dazu wohl auch die Brauerei beigetragen. Denn Löwenbräu hat als Eigentümer des Zelts die Aufgabe, der Stadt einen Wirt vorzuschlagen, parallel dazu muss der Wirt eine eigene Bewerbung abgeben. Sich alleine darauf zu verlassen, dass der Stadtrat Wiggerl Hagn noch einmal den Zuschlag gibt, war der Brauerei dann wohl zu unsicher. "In der Tat haben wir zwei Vorschläge gemacht", sagt Claudia Hauenschild, die Pressesprecherin des Anheuser-Busch-InBev-Konzerns, zu der die Löwenbräu AG gehört. "Einen mit Ludwig Hagn als Festwirt und einen ohne ihn." Hagn habe sich aber Ende vergangenen Jahres entschieden, die notwendige eigene Bewerbung nicht mehr abzugeben.

Hagn scheidet damit nach beinahe 40 Jahren als Wirt und Geschäftsführer des Löwenbräuzelts aus, 1979 hatte er es zusammen mit seiner Mutter übernommen. Zuvor war er bereits seit 1956, nach dem überraschenden Tod seines Vaters, Wirt im Schützenfestzelt gewesen, das seine Eltern 1953 übernommen hatten. Hagn war somit seit 65 Jahren auf der Wiesn.

Das jähe Ende kündigte sich im vergangenen Jahr an, ausgerechnet während des laufenden Oktoberfests. Da wurde bekannt, dass Hagn eine fehlerhafte Abrechnung zur Umsatzpacht für das Jahr 2017 abgegeben hatte. Heraus kam das durch eine stichprobenartige Nachprüfung durch einen von der Stadt beauftragten Wirtschaftsprüfer. Der hatte festgestellt, dass Hagn offenbar unter anderem das Bedienungsgeld und die Freibiermarken der Brauerei nicht mit in den Umsatz seines Zeltes eingerechnet hatte. In Absprache mit seinem damaligen Steuerberater, wie Hagn versichert, da er an beiden Posten ja nichts verdient habe. Insgesamt habe es sich dabei jedoch um eine Summe von rund 2,2 Millionen Euro gehandelt, weshalb eine Nachzahlung von 110 000 Euro fällig wurde. Die hat Hagn inzwischen auch beglichen.

Dabei ist das Verfahren zur Nachprüfung noch gar nicht abgeschlossen, weshalb die Stadt offiziell noch keine Stellung nehmen will. Derzeit geht ein Wirtschaftsprüfer noch einmal sämtliche Abrechnungen aller Zelte durch. Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) hatte das im Dezember angeordnet. Erst danach könne man über Konsequenzen sprechen, heißt es bei der Verwaltung und im Stadtrat. Möglicherweise soll auch das Berechnungsmodell für die Umsatzpacht geändert werden, SPD und CSU haben das bereits gefordert.

Trotzdem kann man sich nach 40 Jahren eine Wiesn ohne Wiggerl Hagn im Löwenbräuzelt nur schwer vorstellen. Wer drückt dann den Knopf, der den Löwen zum Brüllen bringt, wer zapft das erste Fass an? Wiggerl Hagn will jedenfalls erkennbar den Eindruck vermeiden, er scheide nur zum Schein aus: "Ich weiß nicht, wer das dann macht. Wenn ich aufhöre, höre ich auf."

© SZ vom 11.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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