Der Beamte sagte ihr später, dass er sie hätte erschießen können, schließlich habe sie die Absperrung durchbrochen. Frau Hermansson gibt aber nicht so leicht auf. CSU-Stadtrat Richard Quaas vermittelte ihr Kontakte zum zuständigen Polizeichef. Sie durfte nun für die Polizei eine Liste mit Hausbewohnern erstellen, die in der Sperrzone einen Stellplatz haben. "Ich bin zuversichtlich, dass es jetzt ein bisschen besser läuft", sagt sie. Trotzdem: Der Alltag während der Wiesn "ist beschwerlich".
Manchmal geht es nur um Kleinigkeiten, die das Leben der Anwohner während der 16 Tage merklich verändern. Im türkischen Lebensmittelladen an der Schwan-thalerstraße müssen sich Kunden nun zwischen Dirndln, Filzhüten und karierten Hemden ihren Einkauf zusammensuchen. Auf der anderen Straßenseite steht plötzlich abends ein Türsteher vor dem Lokal. Das Bier dort kostet jetzt knapp einen Euro mehr als sonst, in der Wirtschaft stehen Bierbänke und -tische statt der rustikalen Möbel, die Barhocker sind weggeräumt, damit mehr Menschen an den Tresen passen. Wer vor dem Lokal einen Sitzplatz bekommt, muss italienische Volare-Gröler vom Nebentisch aushalten.
Von einem der Biertische aus kann man in diesen Tagen aber ein besonderes Schauspiel betrachten. Am Nachmittag, wenn Berufspendler und solche, die mit dem Auto in Richtung Theresienwiese wollen, an der Schwanthalerstraße aufeinandertreffen, staut sich der Verkehr von der Sonnenstraße bis in die Schwanthalerhöhe hoch und zurück. Erstmals seit Jahren gibt es hier keine Verbotsschilder mehr, die besagen, dass nur Anwohner ins Viertel fahren dürfen. Dabei gilt nach wie vor die Regelung für den äußeren Sperrring, was die Autofahrer aber nicht wissen.
"Die Autos fahren ungehindert die Schwanthalerstraße rauf bis zum Dönerhaus, biegen dann links ab und fahren die Schießstättstraße vor bis zum Alten Messeplatz", sagt Sibylle Stöhr. Die Vorsitzende des Bezirksausschusses Schwanthalerhöhe kann den Autostrom durchs Wohngebiet direkt von ihrem Fenster aus sehen. "Der Pkw- und auch Busverkehr wird verlagert vom Bavariaring in unser Viertel hinein", so Stöhr. Sie hat in den vergangenen Tagen bereits Beschwerden ans KVR und an die Polizei weitergegeben. Doch dort heißt es laut Stöhr, dass sich nur wenige Autofahrer an die Verbotsschilder gehalten hätten und man zu wenig Personal habe, um die Einfahrtsverbote richtig zu überwachen.
Tobias Bohlinger wohnt auch im Viertel und hat sich wegen der fehlenden Schilder an Stöhr gewandt. Die Parkplatzsituation im Viertel habe sich in den vergangenen Jahren wegen des starken Zuzugs ohnehin schon verschärft. "Wenn nun auch noch die Anreise zur Wiesn gefördert wird, verschlimmert sich die Situation ins Unerträgliche", findet Bohlinger. Dass die Verbotsschilder in diesem Jahr fehlen, hält er für "totalen Schwachsinn".
Für ihn ist ein schlüssiges Verkehrskonzept fürs Oktoberfest längst überfällig - etwa ein günstiges Wiesn-Ticket, mit dem man auch als Gruppe günstiger öffentlich zur Wiesn gelangt, als mit dem Auto zu fahren und bereitwillig 20 Euro fürs Falschparken in Kauf zu nehmen. Tatsächlich parken derzeit trotz der Anwohnerzone überall Autos mit auswärtigen Kennzeichen: Aichach, Ansbach, Landsberg, Berlin. Tobias Bohlinger hält es während des Oktoberfests wie die meisten seiner Nachbarn. Am Freitag vor Wiesnstart parkt er sein Auto und bewegt es 16 Tage lang nicht mehr vom Fleck. Dafür packen er und seine Frau die Koffer und fahren zum Flughafen. Sie machen Urlaub von der Wiesn-Höllehöllehölle.