Süddeutsche Zeitung

Oktoberfest:Weniger Wiesn-Besucher - wie schön!

  • Festleitung und Polizei sind zufrieden mit der diesjährigen Wiesn. Weil weniger Besucher als 2015 kamen, ging es deutlich entspannter in und um die Zelte zu.
  • Auch der umstrittene Zaun, der dieses Jahr erstmals rund um die Theresienwiese aufgebaut wurde, sei gut angenommen worden, so die Polizei.
  • Die Zahl der Sexualdelikte hat allerdings deutlich zugenommen, von 21 im Vorjahr auf 31.

Von Franz Kotteder, Christian Rost und Andreas Schubert

Wenn man die Verantwortlichen so reden hört, klingt es, als wäre das Oktoberfest 2016 genau so gewesen, wie sie es immer schon haben wollten. Von einer "Wiesn wie früher" spricht ihr Chef, Bürgermeister Josef Schmid, von einer "Wohlfühl-Wiesn" und einer "Gute-Stimmung-Wiesn". Gerade so, als ob die Münchner all die Jahre vorher immer nur 16 Tage lang missmutig und grantelnd vor ihren Masskrügen gesessen wären.

Aber es stimmt natürlich schon auch: Eben weil die Zahl der Besucher vergleichsweise gering war - nur 2001 lag sie mit 5,5 Millionen Besuchern noch niedriger -, war das Oktoberfest dieses Mal viel entspannter und damit angenehmer als sonst. Bis hinein in seine Auswüchse: Auf dem vom Volksmund so genannten "Kotzhügel" (Polizeisprecher Marcus da Gloria Martins betätigte sich hier sozusagen als Sprachpolizist und firmierte ihn kurzerhand zum "grünen Hügel" um) gab es deutlich weniger unschöne Szenen als sonst. Was auch daran liegen dürfte, dass es heuer erstmals einen Zaun oberhalb des Hügels gab, "an dem alle 50 Meter drei Ordner standen", wie Schmid ausführt.

Überhaupt der Zaun: Vor Eröffnung des Fests war er das große Aufregerthema, währenddessen schienen nur wenige Besucher ihn überhaupt wahrzunehmen. Und wie für den grünen Hügel, so haben sie auch für den Zaun eine hübsche Formulierung im Wiesn-Schönsprech gefunden. "Maschendrahtvorhang" nannte ihn Schmid am Montag.

Überhaupt seien die Sicherheitsmaßnahmen sehr gut angenommen worden, sagen Schmid und da Gloria Martins: "Es gab große Zustimmung vor allem bei der Münchner Bevölkerung, das berichten die Beamten übereinstimmend." Auch die Kontrollen an den Eingängen liefen nach Anlaufschwierigkeiten nahezu reibungslos. Berichte von einzelnen Kompetenzüberschreitungen der Ordner bestätigten weder die Stadt noch die Polizei.

Zum letzten Mittel, der Totalsperrung des Geländes, musste die Stadt nicht greifen. "Die Wiesn war zu keinem Zeitpunkt überfüllt", sagt Schmid. Auch die meisten Zelte mussten nur an wenigen Tagen geschlossen werden. Deutlich weniger voll als sonst waren auch die U-Bahnen und der Bahnhof Theresienwiese. Die Münchner Verkehrsgesellschaft spricht von einem "reibungslosen" Verkehr. Man habe dabei auch beobachtet, dass viele Gäste zu Fuß vom Hauptbahnhof zum Festgelände unterwegs waren.

Die Wirte dürften diese "chillige" Wiesn, wie Schmid sie auch nennt, eher mit gemischten Gefühlen gesehen haben. Trotzdem übt sich Toni Roiderer, der Sprecher der Wirte der großen Zelte, wie immer in urbayerischer Gelassenheit. Freilich, sagt er, hätte er gerne mehr Bier verkauft. "Aber heier war's hoit amoi ned aso." So haben sie dieses Jahr auch keine Angaben über die getrunkenen Biermengen gemacht, wie es in den vergangenen Jahren üblich war. Etwa zwölf bis 15 Prozent weniger soll es gewesen sein, das wären dann immer noch gut sechs Millionen Mass. Das Resümee von Lorenz Stiftl, dem Sprecher der sogenannten kleinen Wiesnwirte, fällt dennoch positiv aus. Insgesamt sei man "sehr zufrieden".

Außer der Neuheit, dass man auch spontan einfach so auf dem Fest vorbeischauen konnte, gab es auch dieses Jahr wieder Besonderheiten. So sah man zwar deutlich weniger abenteuerliche Kostümierungen (an Schottenröcke hat man sich ja schon gewöhnt), dafür war heuer der Hendlhut mit den wackelnden Haxen ein Renner, auch wenn der Nachschub wegen Lieferschwierigkeiten ausblieb.

Neu war zugleich der Schlachtruf der isländischen Fußballfans von der EM, der sich in vielen Zelten zu so etwas wie dem heimlichen Wiesnhit mauserte. Der unheimliche oder wirkliche Hit wurde hingegen "Hulapalu" von Andreas Gabalier, gefolgt von "Ham kummst" von Seiler und Speer - zwei Titel, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten, und doch gleichermaßen die Massen begeisterten. "Atemlos durch die Nacht" von Helene Fischer hörte man hingegen selten.

Bei all den positiven Sätzen über eine entspannte Wiesn muss natürlich klar sein, dass aus Sicht der Polizei immer noch viel zu viel passiert. Mit 2136 Einsätzen hatte die Wiesnwache fast genauso viel zu tun wie im Vorjahr. Dennoch spricht Polizeivizepräsident Werner Feiler in seiner vorläufigen Bilanz von einer "friedlichen, ruhigen Wiesn". Es gab deutlich weniger Schlägereien, auch solche, bei denen Masskrüge eingesetzt wurden, einen Rückgang der Zahl der Taschendiebstähle und überhaupt signifikant weniger Straftaten.

Kein Tötungsdelikt, nur ein Raub - die Polizei könnte mit dem Verlauf der Wiesn rundum zufrieden sein, wäre da nicht ein bemerkenswerter Anstieg bei den Sexualdelikten, von 21 im Vorjahr auf 31 heuer. Weil die Wiesn insgesamt ruhiger gewesen sei, hätten die Beamten "genauer hinschauen" können, so erklärt Feiler die Entwicklung. Hinweise auf eine terroristische Gefahr aber hat die Polizei nicht erhalten. "Nicht einmal eine Drohung gab es."

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SZ vom 04.10.2016/imei
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