Oktoberfest:"Und du hast überhaupt keine Angst?"

Oktoberfest soll sicherer werden

Die Wiesn ist unübersichtlich, und alle fragen nach dem Terror - ein bisschen mulmig wird einem da schon.

(Foto: dpa)

Unser Autor geht jeden Tag auf die Wiesn, beruflich. Er erinnert sich an das Oktoberfestattentat 1980 und die Wiesn nach 9/11. Inzwischen kommt er sich wie ein furchtloser Held vor.

Von Franz Kotteder

Einstmals wurde man wahlweise bestaunt, bemitleidet oder beneidet, wenn man irgendwo erzählte, man gehe jeden Tag auf die Wiesn. Heute ist das anders. Heute werde ich mit großen Augen erschrocken, manchmal auch bewundernd angeschaut: "Und du hast überhaupt keine Angst? Echt jetzt?!"

Klar, wenn man Wiesnreporter ist, sollte man sich so oft wie möglich auf der Wiesn herumtreiben. Das ist zwar nicht immer nur ein Spaß, aber noch nie bin ich mir dabei wie ein furchtloser Held vorgekommen. Inzwischen schon. Dabei bin ich in manchen Situationen durchaus feig. Es haben mich, den neuen Helden, aber auch noch nie so viele Leute gefragt, ob ich nicht Angst habe, wegen der Terrorgefahr und so. Und tatsächlich kommt man dann ins Nachdenken, wenn man zum zehnten Mal die gleiche Frage gestellt bekommt.

Klar, eigentlich ist es nirgendwo so sicher in diesen 17 Tagen wie auf der Theresienwiese: 600 Polizisten, Eingangskontrollen, Sicherheitsdienste in jedem Zelt - das Risiko, vorzeitig entdeckt zu werden, ist für einen Terroristen nirgendwo höher als hier. Wer eine Bombe zünden will, tut das dort, wo viele Menschen sind und es niemand erwartet. Das lehren jedenfalls die Anschläge der Vergangenheit. Aber was ist mit den Idioten, die mit einer Whatsapp-Nachricht mutwillig eine Massenpanik auslösen? Und mit denen, die auf solche Sachen hereinfallen? Und möglicherweise fällt man ja auch selber drauf rein?

Ein bisschen mulmig wird einem dann schon, zugegeben.

Das war schon einmal anders. 1980, beim rechtsradikalen Bombenanschlag nahe dem Haupteingang, machte die Wiesn genau einen Tag zu. Am zweiten Tag wurde schon wieder gefeiert. Pietätlos, aber wahr. Nur ein paar Jahre später hatte das Oktoberfest dann sein Rekordjahr, mit 7,1 Millionen Besuchern.

Oder 2001, da begann die Wiesn kurz nach 9/11. Der damalige Oberbürgermeister Christian Ude meinte noch ein paar Tage vor dem Anzapfen, man könne die Wiesn jederzeit absagen. Aber der Schock saß damals noch nicht sehr tief, kaum jemand glaubte, dass sich so ein weltgeschichtliches Jahrhundertereignis nur ein paar Tage später ausgerechnet im beschaulichen München wiederholen würde.

Auch Wiesnreporter sind gar nicht so mutig

2009 kam dann die halbwegs konkrete Terrordrohung aus dem Netz, mit Bildern von der Wiesn. Von da an gab es dann Sperrringe, den autofreien Bavariaring, ein erstes Taschenverbot, Polizeikontrollen und wenig später auch versenkbare Poller und Straßensperren. Da fing es dann an im Bekanntenkreis mit den Leuten, die "dieses Jahr mal nicht" auf die Wiesn gingen, weil ihnen das "zu unsicher" war. Das hielt man selbst für übertrieben. Aber wenn man dann mit einem größeren Rucksack unterwegs und wieder einmal völlig unkontrolliert geblieben war, sagte man sich auch: "Was jetzt, wenn ich ein Terrorist wär'?"

Paradoxerweise stieg das Unsicherheitsgefühl mit jedem Schritt hin zu noch mehr Sicherheit an. Das ist bis heute zu bemerken: Die Leute lesen von einem 350 Meter langen, ausrollbaren Zaun, und schon sehen sie überall Selbstmordattentäter, die sich unverzüglich in die Luft sprengen wollen. So werden auch in diesem Jahr wieder weniger Besucher kommen als im vergangenen. In der ersten Woche sowieso, denn eine Menge Menschen warten erst mal ab. Wenn nach ein paar Tagen nichts passiert ist, dann trauen sie sich wieder aufs Gelände, das war all die letzten Jahre schon so.

Auch Wiesnreporter sind gar nicht so mutig, wie sie immer tun. Und auch wenn ich weiß, was alles gemacht wird auf der Wiesn, um Gefahren abzuwenden: So ganz unbeschwert werde ich mich auf einer überfüllten Wirtsbudenstraße am Samstagnachmittag nicht mehr bewegen.

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