Oktoberfest:Trinken gegen den Terror

Oktoberfest: Dieter Hanitzsch, Luise Kinseher und Christian Springer (von links) machen Werbung gegen Terrorangst.

Dieter Hanitzsch, Luise Kinseher und Christian Springer (von links) machen Werbung gegen Terrorangst.

(Foto: Stephan Rumpf)

Wird die Furcht vor Terroranschlägen Menschen vom Besuch des Oktoberfests abhalten? Münchens Hotels rechnen bereits mit weniger Gästen. Nun zeigen ausgerechnet Kabarettisten ihr Herz für die Wiesn.

Von Gerhard Fischer

Auf dem Oktoberfest kann man Lebkuchenherzen mit Aufschriften kaufen. "Gruß aus München", "I mog di", "Spatzl", "Teilzeitengel" - so lauten die Botschaften, die man nach sechs Mass Bier ganz sicher originell finden kann. Das Oktoberfest beginnt zwar erst am Samstag, aber der Kabarettist Christian Springer hat schon ein Lebkuchenherz um den Hals hängen. Darauf steht: "I geh! Du aa?" Für Leser in St. Peter-Ording: "Ich gehe! Du auch?" Gemeint ist: Springer geht aufs Oktoberfest - trotz Terrorangst.

Ist es jetzt so weit, dass die beliebte und berühmte Wiesn, wie der Bayer das Oktoberfest nennt, die Hilfe von Kabarettisten braucht, damit die Zelte voll werden? Gerade meldet der Hotel- und Gaststättenverband, dass er in der Oktoberfestzeit mit "zehn bis 15 Prozent weniger Buchungen" rechne. Paris, Ansbach, Würzburg, der Amoklauf in München - die Leute sind verunsichert. Und hat nicht auch der Münchner Stadtrat reagiert? Hat Rucksäcke und große Taschen auf dem Festgelände verboten; und hat es gleich ganz einzäunen lassen. Christian Springer sagt, er habe in vielen Familien gehört, dass man in diesem Jahr auf einen Wiesnbesuch vielleicht verzichten werde. Er finde das schade, und deshalb habe er seine Aktion "I geh! Du aa?" gestartet.

Zu Christian Springer muss man wissen, dass er nicht bloß Kabarettist ist. Springer hat 2012 den Verein "Orienthelfer" gegründet, er fährt regelmäßig nach Libanon, Jordanien oder Syrien, um syrischen Flüchtlingen zu helfen. "Ich habe Ahnung, was Terror ist", sagt Springer, "in München ist er nicht." In München müsse man vor anderen Dingen Angst haben: dass man die hohen Mieten nicht mehr bezahlen könne; dass man keinen Kindergartenplatz bekomme; oder dass der TSV 1860 noch weiter absteige. Das mit 1860 - natürlich macht Springer auch Späße. Er ist ja Kabarettist.

Christian Springer ist nicht alleine. Kurz nach seiner Ich-gehe-Idee rief er seine Kollegin Luise Kinseher an, und die war sofort dabei. Auch Dieter Hanitzsch, Karikaturist der Süddeutschen Zeitung, macht mit. Und Ottfried Fischer. Und noch ein paar andere. Aber nur Kinseher und Hanitzsch kommen ins Löwenbräuzelt, als Springer seine Aktion vorstellt. Das Löwenbräuzelt gehört dem Wiesn-Wirt Wiggerl Hagn, den man wegen seines nach oben gezwirbelten Schnurrbartes ein Original nennt. Und weil er schon so lange dabei ist. Wiggerl Hagn sagt, es habe nur eine Stornierung in seinem Zelt gegeben. Wird schon nicht so schlimm werden.

"Nicht hinzugehen ist die völlig falsche Botschaft", meint Luise Kinseher, "wir dürfen nicht klein beigeben." Sie sagt das, was viele sagen in diesen Tagen der Terrorfurcht: Man müsse die offene Gesellschaft bewahren. Und sie sagt noch dazu, dass es um den Spaß und um die Freude am Leben gehe: "Bayern ohne Freiheit kann ich mir nicht vorstellen." Und München ohne Wiesn auch nicht.

Christian Springer sagt, das Oktoberfest werde von Menschen aus aller Welt besucht, es habe deshalb "viel mehr Verbindendes als Trennendes". Die Bavaria, die große, erhabene Statue über der Wiesn, sei einst aus Kanonen gegossen worden. "Das ist doch ein wunderbares Symbol."

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