Oktoberfest-Trachten:"Das geht eher Richtung Fasching"

Traditionell oder Trash? Zum Trachtenumzug auf dem Oktoberfest analysiert Schneiderin Traudl Stacheter die Dirndl und Lederhosen, die wir ihr vorgelegt haben.

Protokolle von Franz Kotteder

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Dirndlschneiderin, keine Dirndldesignerin.

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Quelle: Claus Schunk

Dirndlschneiderin sei sie, sagt Traudl Stacheter, keine Dirndldesignerin. "Eine Designerin gibt vor, was die Leute zu tragen haben", sagt sie, "ich richte mich nach den Wünschen der Kundin und nach ihrem Typ." Traudl Stacheter führt zusammen mit ihrer Tochter Anna das Atelier Tracht & Handwerk in dem kleinen Ort Baiern bei Glonn, nebenbei hält sie auch Vorträge im Trachten-Informationszentrum des Bezirks Oberbayern in Benediktbeuern.

Stacheter weiß also, was Tracht ausmacht, wo sie echt ist und wo sie ins Kasperlgewand hinüberlappt, wie so oft auf dem Oktoberfest. Dabei ist sie gar keine Traditionalistin: "Es gibt ja historisch erhaltene Trachten, die würde heute im Leben kein Mensch mehr anziehen wollen." In manchen Gegenden sei es einfach versäumt worden, die Tracht behutsam zu erneuern. Einen Wandel habe es aber immer gegeben, "und deshalb ziehen die jungen Leute in manchen Orten noch immer gerne Tracht an".

Vor allem historische Trachten sieht man am Sonntag auf dem Trachten- und Schützenzug von der Maximilianstraße über den Odeonsplatz zur Theresienwiese. Was von anderen Formen der Tracht zu halten ist, erläutert Stacheter an einigen Beispielen, die wir ihr vorgelegt haben.

Fotos: Simon, Schunk, Schachten, People Image, Hörhager/dpa, oh

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Aus Fernost auf die Wiesn

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Quelle: Agency People Image

"Des ist jetzt eine typische Modenschau für die jungen Wiesnbesucher: kurze Lederhosen, drüber ein Giletleiberl. Hier ist jetzt ganz sicher nicht ein Teil dabei, das nicht in Fernost gemacht worden ist. Nicht die Schuhe, nicht die Lederhosen. Die haben wahrscheinlich irgendwelche Inderkinder gerben müssen. Die Westerln werden auch irgendwo in Fernost gefertigt. Das ist natürlich eine Preisfrage. Die Leute, die sich sagen: ,Ich brauch' jetzt schnell eine Tracht für die Wiesn', wollen halt nicht viel Geld ausgeben. Das ist im Handwerk halt überhaupt nicht möglich. Hier aber haben wir es mit einem ganz klassischen, dreiteiligen Wiesn-Outfit für schätzungsweise 99 Euro zu tun. Es gibt aber erheblich schiachernere! Tracht ist natürlich eigentlich was Regionales, aber auch die Stoffe, die wir verwenden, sind oft nicht mehr von hier.

Typisch ist der Hut, der ist heuer groß in Mode. Sonst geht der Trend mehr ins Retromäßige, und die Dirndl sind inzwischen eher hochgeschlossen. Was in der Tracht gar nicht geht, ist eine Frau in Lederhosen, die ist ja eigentlich das Gewand eines Jägers. Aber es gibt noch einen anderen Grund: Schau sie von hinten an, dann weißt Du's! Und sonst? So kracherte Farben hat man früher übrigens tatsächlich gehabt - aber halt nicht in Polyester. Und der Charivari war auch ganz bestimmt nicht aus Blech wie hier."

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Schön schlicht

Traudl Stacheter

Quelle: Dominik Schachten

"Dieses Dirndl hab' ich geschneidert. Ich mag es schlicht, ohne viel Schnickschnack. Es darf ruhig auch moderner sein, mit den Traditionalisten, die gar nichts abändern wollen, habe ich es nicht so. Es gibt sehr wohl ein Zwischending zwischen altbacken und neu erfunden. Nur: Handwerkliche Arbeit kostet halt. Ein schönes Baumwolldirndl kriegt man aber schon für 500 Euro. Viele junge Mädl wollen das inzwischen auch, und das zahlt dann sowieso meistens eine vollkommen verzückte Oma."

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Schön fremd

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Quelle: Tian Van Tastique

"So, ein ,Refugees Welcome'-Dirndl ist das, in den Nationalfarben von Syrien und Libyen? Von der Qualität her ist das jetzt sicher nicht schlecht, aber ist das nicht bloß gut gemeint? Mir kommt's ein bisserl gewollt vor, eine Araberin dürfte das ja auch gar nicht anziehen, öffentlich. Ich habe allerdings auch schon mal ein Dirndl für eine Burkaträgerin gemacht. Die habe ich dann gefragt, wo sie das denn anzieht? Sie hat gesagt, das trägt sie daheim in der Wohnung, da sei das gar kein Problem."

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Das geht nicht mal im Käferzelt

'Dirndlpunk' im Voralpenland

Quelle: dpa

"Das sind jetzt zum Leben erweckte Barbies, gell? Was man hier sieht, sind nicht einmal Schickimickidirndl oder das, was man vielleicht im Käferzelt so spazieren trägt. Es gibt ja Frauen, die hoffen, mit sowas Punkte machen zu können. Man darf halt nicht mit dem Feuerzeug hinkommen, weil sonst gibt's eine Stichflamme. Ich finde ja, Mode ist immer auch Ausdruck der jeweiligen Persönlichkeit, insofern passt das oft schon wieder. Ich persönlich möchte mich zwar nicht von oben bis unten in Polyester hüllen. Aber: Es gefällt und wird getragen und macht alles etwas bunter. Nur ist halt viel Billigzeug dabei, das gar nicht zur Figur passt. Da kannst du dann nur noch über den Ausschnitt arbeiten. Die Kleidung der drei da hat aber mit Tracht gar nichts mehr zu tun, das geht eher Richtung Fasching."

© SZ.de/jey
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