Oktoberfest-"Tatort":A bisserl was stimmt immer

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Die Kommissare Leitmayr und Batic ermitteln diesmal auf der Wiesn. (Foto: Bernd Schuller)

Wo der Münchner "Tatort" vom Sonntag die Wiesn-Wirklichkeit trifft - und wo nicht.

Von Thierry Backes

Schon der Geruch. Dann die Geräuschkulisse. Und schließlich die Menschenmassen im Rausch. "Während des laufenden Betriebs ist es kaum möglich, auf der Wiesn zu drehen", sagt Filmproduzent Quirin Berg. Er hat es dennoch gewagt und den 70. Münchner "Tatort: Die letzte Wiesn" auf dem Oktoberfest 2014 drehen lassen: einen Tag im Winzerer Fähndl, zwei Tage auf dem Festgelände. Ein Teil der Szenen entstand während des Aufbaus, nachts von 19 bis 6 Uhr im Zelt. Der Plot ist simpel: Batic und Leitmayr müssen rausfinden, wer Liquid Ecstasy ins Bier schüttet. Die viel spannendere Frage: Ist der Wiesn-"Tatort", den die ARD am Sonntagabend erstmals sendete, wirklich authentisch?

Die Stimmung im Zelt: Regisseur Marvin Kren hat beeindruckende Aufnahmen in der sogenannten Tilt-Shift-Optik von der Empore des Paulaner-Festzeltes gedreht, das im Film "Amperbräu" heißt. Wer bei den Nahaufnahmen genau hinsieht, entdeckt jedoch einige Ungereimtheiten. Bedienung Ina Sattler (Mavie Hörbiger) schleppt höchstens zehn halbvolle Mass Bier ohne Schaum, auf den Bänken sitzen oft nur sechs Personen. Als ein Gast bewusstlos auf den Boden kracht, ohne einen anderen auch nur zu berühren, wird es unrealistisch: Bekannte malen ihn mit Lippenstift an, stecken ihm ein Tampon in den Mund, machen ein Selfie am Boden - ohne dass irgendwer Notiz davon nimmt.

Die Stimmung in der Stadt: Der Film greift in mehreren Szenen authentisch das auf, was die Wiesn für Münchner bedeutet. Kommissar Leitmayr (Udo Wachtveitl) flüchtet nach Italien, vermietet seine Wohnung an zwei Schwedinnen, die sie prompt verwüsten. Kommissar Batic (Miroslav Nemec) nimmt seine kroatischen Tanten bei sich auf; eine landet mit 1,9 Promille auf der Sanitätsstation, die andere sagt "Aber Du bist doch bei der Polizei", als Batic ihr erklärt, dass er leider keinen Tisch organisieren kann. Polizist Hammermann (Ferdinand Hofer) kommt in Lederhosen zur Arbeit und fragt, ob er heute früher gehen könne, er habe mit Freunden einen Tisch im "Königszelt".

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Die politische Wiesn: Auch wenn es immer heißt, die Wiesn sei unpolitisch, das stimmt nicht. Als klar wird, dass ein Täter Liquid Ecstasy in das Bier des Amperbräu mischt, steht ein Mitarbeiter des Innenministeriums im Polizeipräsidium und warnt mit Blick auf den Milliardenumsatz davor, das Zelt aus Sicherheitsgründen zu schließen (oder gleich die ganze Wiesn). Das kann man sich zumindest vorstellen.

Die Festwirtin: Kirsten Moosrieder (Gisela Schneeberger) wird als harte Geschäftsfrau porträtiert, die das Erbe ihres verstorbenen Mannes verwaltet. Wiesnwirt zu sein, das ist auch auf dem echten Oktoberfest oft eine Familiensache. Bei den Bedienungen unbeliebt, schreckt Moosrieder nicht davor zurück, einen ihrer besten Leute von den eigenen Sicherheitsmitarbeitern verprügeln zu lassen. Eine Anspielung auf den ehemaligen Wiesnwirt Sepp Krätz, der einen Mitarbeiter tätlich angegriffen hatte und deswegen eine Geldstrafe zahlen musste.

Die Sache mit der U-Bahn: Um nach Italien zu kommen, steigt Leitmayr in die U3/U6, die jedoch weder zum Flughafen noch zum Bahnhof fährt. Was sich dramaturgisch noch begründen lässt. Doch dann tauchen Wiesn-Besucher auf, tanzend und singend, als wären sie nüchtern: "Eine Straße, viele Bäume, ja, das ist eine Allee." Es gibt viele schreckliche Wiesn-Lieder - das ist keines davon.

Sie haben den "Tatort" verpasst? Hier geht's zum Film in der ARD-Mediathek.

© SZ vom 21.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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