Süddeutsche Zeitung

Oktoberfest:München verkalkuliert sich mit der neuen Umsatzpacht

  • Durch die neue Umsatzpacht für die Wiesnwirte auf dem Oktoberfest nimmt die Stadt München deutlich weniger Geld ein als prognostiziert.
  • Das Wirtschaftsreferat erwartete Einnahmen in Höhe von knapp 8,6 Millionen Euro. Stattdessen wurden nur 6,9 Millionen eingenommen.
  • Das Büro von Bürgermeister und Wiesn-Chef Josef Schmid wollte die Zahlen am Mittwoch nicht bestätigen.

Von Franz Kotteder

Die Stadt nimmt durch die neue Umsatzpacht für die Wiesnwirte deutlich weniger Geld ein als erwartet. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung sind es statt der vom Wirtschaftsreferat prognostizierten knapp 8,6 Millionen Euro nur etwa 6,9 Millionen - und damit 1,7 Millionen Euro und 20 Prozent weniger als kalkuliert. Damit tut sich erneut eine Deckungslücke bei den Sicherheitskosten auf.

Im vergangenen Jahr betrugen sie etwa 10,7 Millionen Euro, vor allem für die Ordner und eine neue Beschallungsanlage. Das bedeutet: Die Umsatzpacht für die Wirte wird in diesem Jahr deutlich ansteigen - und wohl ebenso deutlich der Preis fürs Wiesnbier. Dass die Wirte die Stadt an ihren Einnahmen beteiligen müssen, war erst 2017 eingeführt worden, vor allem wegen der gestiegenen Ausgaben für die Sicherheit. Zuvor gab es nur fixe Standgebühren, die deutlich niedriger lagen.

Das Büro von Bürgermeister Josef Schmid (CSU), der als Wirtschaftsreferent zugleich auch Wiesn-Chef ist, wollte die Zahlen am Mittwoch nicht bestätigen. "Wir haben noch keine finalen Zahlen", sagte Sprecherin Andrea Steiler. Die würden erst im Abschlussbericht für das Oktoberfest im April oder Mai dieses Jahres bekanntgegeben. Was ein wenig merkwürdig erscheint: Die Abgabefrist für die Umsatzzahlen der einzelnen Zelte endete bereits vor einem Monat, am 31. Januar. Angesichts der heftigen politischen Auseinandersetzungen um die Wiesn vor einem Jahr dürfte sich in den vergangenen vier Wochen bestimmt jemand im Referat für die gemeldeten Zahlen interessiert haben.

Christian Schottenhamel, Vize-Sprecher der Wiesnwirte, sagte am Mittwoch: "Ich kenne die genauen Zahlen nicht, aber es gibt wohl eine Differenz zwischen der Schätzung der Stadt und der Realität." Die Wiesnwirte seien schon vor einem Jahr von niedrigeren Zahlen ausgegangen, man habe ihnen aber wohl nicht geglaubt. Schottenhamel sagt: "Man wird sehen, wie die Stadt mit der Situation umgeht."

Die Einführung der Umsatzpacht war vom Stadtrat vor einem Dreivierteljahr beschlossen worden. Zuvor hatten die Wirte für ihre Zelte eine Gebühr nach Quadratmeterbedarf bezahlt. Ihre genauen Umsätze blieben ein gut gehütetes Geheimnis, in der öffentlichen Meinung ging man von märchenhaften Summen aus. Das war bei der Stadtverwaltung offenbar ähnlich. Kurz nachdem die Pacht-Pläne bekannt wurden, sprach Bürgermeister Schmid von geschätzten 240 Millionen Euro Umsatz bei großen und kleinen Wiesnwirten.

Grundlagen dieser Schätzung des Referats waren eine Bachelor-Arbeit zum Thema "Wirtschaftsfaktor Bierzelt" und eine Besucherbefragung aus dem Jahr 2014. Später korrigierte das Referat diese Zahl auf 200 Millionen Euro nach unten, in der endgültigen Vorlage für den Stadtrat ging man sogar von nur noch 172 Millionen Euro aus.

Nun scheint klar zu sein, dass auch diese Zahl zu optimistisch war. Etwa 6,9 Millionen Euro an Pacht - das entspräche einem Gesamtumsatz aller großen und kleinen Zelte von weniger als 138 Millionen Euro. Erwirtschaftet wurde dieser Umsatz jedoch bei einer mit 18 Tagen besonders langen Wiesn. Normalerweise - und somit auch in diesem Jahr - dauert das Oktoberfest 16 Tage.

Vorausgesetzt, die Besucher trinken und essen weiterhin so fleißig, so wäre heuer mit Einnahmen von 122,6 Millionen Euro zu rechnen. Das wiederum heißt: Sind die Sicherheitskosten ähnlich hoch wie 2017, müsste die Umsatzpacht von 5,1 Prozent auf sieben Prozent erhöht werden. Die höhere Abgabe würde dann wohl auf Getränke und Speisen umgelegt, der Preis für die Mass Bier würde um mehr steigen als die üblichen 30 Cent.

Fest steht aber auch: Wiesnwirte sind offenbar sehr viel ehrlicher, als die Öffentlichkeit ihnen zutraut. Denn ihr damaliger Sprecher Toni Roiderer vom Hackerzelt hatte bereits vor einem Jahr einen Gesamtumsatz von rund 120 Millionen Euro als realistisch bezeichnet. Und war dafür von Kollegen gerügt worden: "Willst Du eine noch höhere Pacht?" Die kommt jetzt dann wohl nachträglich.

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Quelle:
SZ vom 01.03.2018/jala/sim
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