Die Physik der Wiesn:Wer bleibt am längsten auf dem Teufelsrad sitzen?

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Oktoberfest in München Teufelsrad

Lederhosen aus Jeans sind nicht so optimal. Echte Lederhosenträger dagegen sind auf dem Teufelsrad klar im Vorteil - sie haben viel mehr Reibung.

(Foto: Stephan Rumpf)

Physikalisch ist das eine komplizierte Frage. Ein Experte erklärt das Fahrgeschäft - und hält fest: Das Körpergewicht ist unerheblich.

Von Jakob Wetzel

Es sieht alles ganz einfach aus auf dem Teufelsrad. Alle setzen sich auf die in der Mitte erhöhte Scheibe, diese beginnt sich zu drehen, sie beschleunigt auf 23 Umdrehungen pro Minute, und wer am längsten sitzen bleibt, gewinnt. Aber was entscheidet über Erfolg und Misserfolg? Worauf kommt es an? Ludwig Kugler, der Rekommandeur, sagt: vor allem auf die Kleidung. Wie dick oder dünn eine oder einer ist, sei egal. Wer gewinnen will, sollte einfach eine Lederhose tragen und lieber kein Dirndl. Schlecht seien auch Haferlschuhe oder Strumpfhosen, die seien "wie Glatteis". Besser stünden die Chancen mit Turnschuhen oder gleich ganz barfuß.

Stimmt das? Diese Frage ist wie geschaffen für Georg Eggers. Der Physiker lehrt an der Fakultät für angewandte Naturwissenschaften und Mechatronik an der Hochschule München, und in seiner Reihe "Physik des Scheiterns" erklärt er immer wieder bei Experimenten vor Publikum, warum ambitionierte Erfindungen in der Praxis dann doch nicht so gut funktioniert haben - vom selbstgebauten Billigflieger des Ikarus über die angeblich unsinkbare Titanic bis zum Weltraum-Telefon.

Hat Ludwig Kugler also Recht? In den Augen des Physikers ist das Teufelsrad ein flacher Kegel, der rotiert, auf dem also Zentrifugalkräfte wirken. Leider macht das Gefälle des Kegels die Formeln unübersichtlich. Deshalb erklärt Eggers alles erst einmal am Beispiel einer flachen Scheibe. Die Zusammenhänge sind dieselben.

Wichtig ist hier zunächst die Fliehkraft oder Zentrifugalkraft FZ, denn sie zieht die Gäste von der Scheibe. Die Kraft ergibt sich aus der Masse m des Gastes multipliziert mit der Winkelgeschwindigkeit w, mit der sich die Scheibe dreht, im Quadrat und dem Radius r, also der Entfernung des Gastes vom Mittelpunkt: FZ = m · w² · r. Je schneller sich also die Scheibe dreht und je weiter einer außen sitzt, desto stärker ist die Zentrifugalkraft. In der Mitte ist der Radius gleich null, und mit ihm die Fliehkraft. Dort ist also immer der beste Platz.

Um einen Gast ins Rutschen zu bringen, muss die Fliehkraft die Reibung überwinden

Doch die Formel besagt auch: Die Zentrifugalkraft wirkt umso stärker, je schwerer einer ist. Spielt das Gewicht also doch eine Rolle? Nein, sagt Eggers. Denn um einen Gast ins Rutschen zu bringen, muss die Fliehkraft erst einmal die Reibung überwinden, muss sie also größer sein als die sogenannte Haftreibungskraft: FZ > FR.

Diese Reibungskraft wiederum errechnet sich aus dem Reibungskoeffizienten µ, der von den gegeneinander reibenden Materialien abhängt, und aus der Normalenkraft FN; das ist diejenige Kraft, mit der ein Körper senkrecht auf die Unterlage drückt. Bei einer horizontalen Fläche ist FN identisch mit der Gewichtskraft FG. Und die erhält man, wenn man ihre Masse mit der Erdbeschleunigung g multipliziert. Die Formel lautet also: FR = FN · µ = m · g · µ. Damit aber steht bei der Ungleichung FZ >FR auf beiden Seiten die Masse m. Mit steigender Masse wachsen gleichermaßen die Zentrifugal- und die Reibungskraft. Und das heißt: Auf dem Teufelsrad ist es tatsächlich egal, wie viel einer wiegt.

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