Morgens, halb zehn auf der Wiesn. Das Festgelände hat noch nicht geöffnet, doch in der Käfer Wiesn-Schänke ist der Betrieb längst angelaufen. Service-Mitarbeiter decken ihre Tische ein, in der Küche drehen sich Hendl am Grill und in der Backstube duftet es nach frischem Gebäck. Vor dieser rundum verglasten Backstube bleiben Wiesn-Besucher beim Schlendern gerne stehen und schauen dabei zu, wie Marillenknödel gerollt werden oder Ausgezogene im heißen Fett baden.
Hier kommt heuer erstmals auch ein besonderer Apfelstrudel in den Ofen, den es vorher bei Käfer so noch nicht gab. „Wir wollten, dass unsere Strudel handgemacht sind, wie früher in den Wirtschaften, als es noch keine industrielle Fertigung gab“, sagt Andreas Schinharl, Küchendirektor der Käfer Wiesn-Schänke. Dafür hat sich der gebürtige Straubinger die Bäckerei Schifferl aus dem Regensburger Raum als regionalen Kooperationspartner an die Seite geholt.

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Es gibt nur wenige Mitarbeiterinnen, die diesen Teig herstellen können
Denn anders als beim industriell gefertigten Strudel, für den meist Blätterteig verwendet wird, muss Schifferls Strudelteig von Hand gezogen werden. „Es ist schwierig, Mitarbeiter zu finden, die das können“, weiß Schinharl. Der Teig sei sehr filigran und damit er nicht reißt, müsse man ein Gefühl für ihn entwickeln. Bei Schifferl gebe es nur drei oder vier Mitarbeiterinnen, die diese Strudel herstellen könnten.
Lydia Urich ist eine von ihnen. Sie arbeitet seit 25 Jahren bei Schifferl und wurde in das über einhundert Jahre alte Familienrezept für den Strudelteig eingeweiht. „Mein Vater hat es Lydia gezeigt, aber eigentlich geht das Rezept auf meine Uroma zurück“, erzählt Michael Schifferl, der das Unternehmen zusammen mit seinem Bruder Ludwig in fünfter Generation führt.

„Handgezogen“ bedeute, den Teig ohne maschinelle Hilfe so dünn auszurollen, dass man das Muster des Geschirrtuchs drunter sehen kann, erklärt Schifferl. Beim Apfelstrudel wird dann, anders als bei den Sorten Kirsche und Marille, die mit selbst gekochtem Kompott und Mandeln gefüllt werden, ein gutes Kilo frischer Äpfel mit Zimtzucker auf dem ausgerollten Teig verteilt. „Es müssen unbedingt frische Äpfel sein“, meint Schifferl, „das macht es brutal aufwendig.“ Einer seiner Mitarbeiter verbringe eine Acht-Stunden-Schicht allein damit, Äpfel zu schälen.
Lydia Urich schlägt den hauchdünnen Teig vorsichtig über die Apfelstücke, bis sich die Wicklungen rollen lassen und der Strudel immer dicker wird. Die einzelnen Teigschichten könne man später beim Aufschneiden noch genau erkennen und abzählen wie die Jahresringe eines Baumes, sagt Schinharl.
Nach dem Backen werden die Strudel mit einer Flüssigkeit aus Milch und Sahne angegossen, die auf dem heißen Blech stockt und karamellisiert. Dadurch entsteht eine schmackhafte Kruste, das „Rammerl“, wie Schinharl es nennt. Abschließend wird der Apfelstrudel mit Puderzucker bestäubt und auf Wunsch mit Vanillesoße serviert. Im Straßenverkauf kostet eine Portion 11,50 Euro, beim Verzehr im Zelt 15,50 Euro. Was hier kostet, sei vor allem die Expertise der Mitarbeiter, die diese Strudel in rauen Mengen von Hand herstellen, erklärt Schinharl. Für die Wiesn habe er fünf bis sechs Tonnen bestellt.
Weil in der kleinen Backstube im Käferzelt aber nicht genug Platz ist, um so viele Strudel dünn auszurollen, stellt Schifferl sie in der hauseigenen Produktion in Bogen und Bach an der Donau her. Die Strudel kommen dann schockgefroren und einzeln portioniert auf die Wiesn und werden dort fertig gebacken. Schinharl habe mit Schifferl monatelang getüftelt, damit die Strudel nach der Tiefkühlung immer noch schmecken wie frisch gebacken.
Inzwischen stellt Schifferl nicht nur Strudel, sondern auch Ausgezogene, Brot und Brezn exklusiv für Käfer her. Deshalb wurde dieses Jahr erstmals eine zusätzliche Interimsbackstube auf dem Festgelände in Laufweite zum Käferzelt errichtet, die auch in den kommenden Jahren immer wieder aufgebaut werden soll. Einsehbar ist die leider nicht, aber Handarbeit wie diese gehört sich ohnehin gekostet, nicht bloß bestaunt.

