Süddeutsche Zeitung

Nachhaltige Ernährung:Das Fernziel ist die Bio-Wiesn

Mit ihrer Aktion "Hendlsauerei" auf dem Marienplatz weisen mehr als 30 Vereine und Initiativen auf die dunkle Seite des Oktoberfests hin: Brathendl, die aus Qualzucht stammen.

Von Franz Kotteder

Fans des Oktoberfests freuen sich auf zwei Dinge das ganze Jahr über: die erste Mass auf der Wiesn, die immer ganz besonders schmeckt, und das erste Hendl, das dann wieder ordentlich Durst auf die zweite Mass macht. Insofern könnte es sich bei dieser Demo am Mittwochmittag auf dem Marienplatz einerseits um eine Werbeveranstaltung für das Oktoberfest handeln, wofür die vielen Frauen im Dirndl und das bunte Kinderkarussell sprechen. Der Titel allerdings - "Hendlsauerei" - weist auf eine ganz andere Zielrichtung hin: Man will aufklären über die industrielle Intensivtierhaltung, aus der die allermeisten Wiesnhendl stammen. Und man fordert vom Stadtrat, etwas dagegen zu tun.

30 zivilgesellschaftliche Organisationen, von der Münchner Initiative Nachhaltigkeit (MIN) über den Ernährungsrat und Slow Food bis hin zu diversen Ökolandbau-Verbänden, haben sich zusammengetan, um diese "Hendlsauerei" zu beenden. Das Oktoberfest mit seinen fast 440 000 verspeisten Hühnern ist da nur ein Beispiel, eigentlich. Aber halt eines, das große Aufmerksamkeit erregt. Hier sieht man ein "Leuchtturmprojekt", mit dem man auf nachhaltige, klimaneutrale Ernährung hinweisen kann. Helmut Schmidt vom Koordinationskreis des MIN, früher als Zweiter Werkleiter bei der Stadt für die Abfallwirtschaft zuständig, sagt: "Unser Ernährungssystem macht krank, und die Klimapolitik der Stadt ist zwar ambitioniert, aber unvollständig, weil sie sich nicht um die Schäden kümmert, die über Konsum und Ernährung entstehen." Das soll sich jetzt ändern. Schmidt ist da zuversichtlich, schließlich hatte man ihm vor 31 Jahren auch gesagt, das Mehrweggebot ließe sich auf dem Oktoberfest niemals einführen: "Und es funktioniert bis heute."

Brathendl aus industrieller Intensivtierhaltung haben viele Nachteile. Die Tiere werden auf engstem Raum gehalten und in nicht einmal 30 Tagen zur Schlachtreife gemästet. Weil Brust und Keulen die beliebtesten Teile sind, werden sie besonders hochgezüchtet, in der Folge können sich die Hühner oft kaum noch bewegen und ihre Knochen brechen oft schon von alleine. Weil die Tiere oft sehr krankheitsanfällig sind, werden sie im Laufe ihres kurzen Lebens im Schnitt dreimal mit Antibiotika behandelt, flächendeckend ausgebracht. Gesund ist das nicht.

Wiesnhendl sollen künftig aus biologischer Produktion kommen

Die 30 Initiativen fordern deshalb: Die Stadt muss dafür sorgen, dass Wiesnhendl künftig nur noch aus biologischer Produktion stammen dürfen - bisher ist das nur bei einer Hühnerbraterei der Standard. Schließlich habe sich München selbst zur Klimaneutralität verpflichtet, sie soll in 13 Jahren verwirklicht sein. Bis 2035 müssten dann auch die Wiesnhendl vom Ökobauern kommen. Und nicht nur die: Sämtliche Lebensmittel auf dem größten Volksfest der Welt sollen bis dahin aus biologischer Produktion stammen.

Die eingeladenen Rathauspolitiker sahen dafür durchaus gute Chancen. "Die Wiesn könnte da ein Vorbild sein", so Julia Schmitt-Thiel (SPD), "ich wäre dafür, dort nur noch Bio-Lebensmittel zu verkaufen". Mona Fuchs von den Grünen lobte "die realistische Herangehensweise, denn von heute auf morgen etwas zu ändern wäre nicht möglich. Am besten wäre es, man bekäme auch noch den Wirtschaftsreferenten und die großen Brauereien mit ins Boot." Denn die acht großen Brauereizelte auf der Wiesn seien gesetzt und würden nicht wie normale Bewerber nach erfüllten Kriterien der Stadt bewertet. Nicola Holtmann (ÖDP) fand zudem, auf dem Oktoberfest sollte künftig auch mehr auf erneuerbare Energien gesetzt werden: "Dafür sollte es eine höhere Punktzahl geben."

Ein Aufgabenbuch bekamen die Politikerinnen dann auch noch überreicht, einen umfangreichen Forderungskatalog für ein nachhaltigeres Oktoberfest. Unter anderem soll ein noch einzurichtender runder Tisch aus Kommunalpolitikern, den beteiligten städtischen Referaten und Wiesnwirten Lösungen erarbeiten.

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