Liebe auf dem Oktoberfest:Ist die Wiesn ein Beziehungskiller?

Liebe auf dem Oktoberfest: Küssendes Paar auf dem Oktoberfest (Archiv)

Küssendes Paar auf dem Oktoberfest (Archiv)

(Foto: Stephan Rumpf)

Paartherapeut David Wilchfort erklärt, wo Fremdgehen beginnt, wie Partner gelassen bleiben und ob man auf dem Oktoberfest tatsächlich die große Liebe finden kann.

Interview von Lars Langenau

David Wilchfort, 70, ist Doktor der Medizin. Der Paar-und Familientherapeut ist Ausbildungsleiter für Verhaltenstherapie und Psychoanalyse und betreibt seit 1973 seine Praxis in München.

SZ.de: Fremdflirten, Fremdküssen, One-Night-Stands, Ehe-Krach. Die Wiesn ist Sodom und Gomorrha. Kann man alles auf den Alkoholkonsum schieben?

David Wilchfort: Vieles, aber nicht alles. Das ist vergleichbar mit dem Fasching, der historisch und tiefenpsychologisch eine Entlastung von einer strengen Zeit ist. Und den katholischen Bayern reicht das eben nicht nur einmal im Jahr. Hier ist Vieles das ganze Jahr über reguliert, und dann braucht es vielleicht eben noch dieses zweite Ventil.

Und nach der zweiten Mass wird das Gegenüber schöner?

Da bin ich mir nicht so sicher, aber man ist sicherlich enthemmter. Je fester ich die Krawatte im Alltag binde, umso größer ist das Bedürfnis, sie bei solchen Festen zu lockern. Mehr als 40 Jahre konnte ich in meiner Münchner Praxis erleben, dass tatsächlich viele negative Erfahrungen von Partnern beim Fasching oder der Wiesn gemacht wurden.

Ist die Wiesn also ein Beziehungskiller?

Das ist wie die Frage, ob es gefährlich ist, Ski zu fahren. Wenn jemand gut Ski fahren kann, dann ist das auch relativ ungefährlich. Wenn es aber jemand nicht kann und im Schuss abfährt, dann ist das ziemlich gefährlich.

Das müssen Sie genauer erklären.

Meine eigene Einschätzung des Partners ist dafür verantwortlich, wie ich die Dinge sehe und auch mit ihnen umgehe. Bei manchen Frauen entsteht etwa eine lebhafte Phantasie, was passiert, wenn eine attraktive Dirndlträgerin ihren Partner anlächelt. Und diese Vorstellung bestimmt dann auch ihr Verhalten. Wenn sie also glaubt, dass er nur darauf wartet, von einer Anderen angelächelt zu werden - und dass er die dann auch gleich mit ins Bett nimmt -, wird sie ihren Partner missmutig verabschieden. Freut sie sich dagegen, dass er überhaupt angelächelt wird, wird sie ihn eher mit einem Zwinkern und 'Viel Spaß' verabschieden. Vielleicht kann sie sogar stolz darauf sein, dass er auch für andere Frauen attraktiv ist - aber im Grunde nur sie mag.

Und wenn die Stimmung schon mies ist, kommt eine spezifische Dynamik in Gang?

Klar, dann könnte er denken: Diese blöde Kuh, warum muss sie mir meinen Spaß verderben? Wenn man sich aber freundlich verabschiedet, nimmt man eher ein positives Gefühl mit und reagiert souveräner auf einen Flirt. Der gleiche Satz und das gleiche Handeln können bei verschiedenen Paaren völlig andere Dinge auslösen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: