Auf dem Oktoberfest gibt es Streit. Das an sich ist nichts Ungewöhnliches. Wo das Bier in großen Krügen serviert wird, kracht es schon mal. Jetzt aber gibt es Knatsch, weil nicht nur Bier serviert wird. An die Öffentlichkeit gebracht hat den Vorgang die Abendzeitung. „Schampus-Streit der Wiesn-Wirte“: Es ist eine Überschrift, wie sie wohl nur München hervorbringen kann.
Hier eine Bestandsaufnahme, bierernst, versteht sich.
Auf dem Festgelände gibt es – das Traditionsgelände der Oidn Wiesn nicht mitgerechnet – 14 große Zelte. Und in einem der bekanntesten, der Festhalle Schottenhamel, darf seit dem vergangenen Jahr neben Bier auch Kaffee, Wein, Schnaps und Champagner serviert werden. Das stößt einigen anderen jetzt sauer auf.
Arabella Schörghuber, Wirtin des Paulaner-Festzelts, soll ihre Kündigung bei der Vereinigung der Wiesn-Wirte zum nächsten Jahr eingereicht haben, wenn sich an der Regelung nichts ändert.
Bei dem Zank treffen zwei gesellschaftliche Schwergewichte aufeinander. Das Schottenhamel-Zelt ist das älteste auf dem Oktoberfest. In ihm wird das jährliche Ozapft-is-Ritual mit Oberbürgermeister und Ministerpräsident aufgeführt.
Seitdem das Zelt 1867 das erste Mal errichtet wurde, ist es in der Hand der Schottenhamels. Aktuell wird es unter anderem von Christian Schottenhamel geführt, der zudem Co-Sprecher der Wiesn-Wirte ist sowie Präsident der „Filser-Buam“, die sich der Pflege der bayerischen Tradition verschrieben haben.
Arabella Schörghuber wiederum entstammt ebenfalls einer bekannten Münchner Familie. Ihr Vater Josef zog von den 1950er-Jahren an im großen Stil Wohnhäuser in der Landeshauptstadt hoch. Unter anderem der ganze Arabellapark geht auf ihn zurück. Der Streit hat also sowohl eine gesellschaftliche wie stadtpolitische Komponente, die nicht zu unterschätzen ist.
Daneben wirft er eine immer wieder gerne gestellte Frage neu auf: Wer darf auf dem größten Volksfest der Welt eigentlich was? Alles genau geregelt, bemüht sich Wiesnchef und CSU-OB-Kandidat Clemens Baumgärtner zu beruhigen: Die Vorgaben variierten je nach Kategorie der Zelte.
Von diesen gibt es drei: Brauereizelte, Schützenzelte und freie Zelte. Den sechs großen Münchner Brauereien gehören insgesamt sieben Zelte. Neben der von Arabella Schörghuber betriebenen Festhalle der Paulaner-Brauerei sind das die Hackerbräu-Festhalle, die Bräurosl (Hacker-Pschorr), das Löwenbräu-Festzelt, die Ochsenbraterei (Spatenbräu), die Augustiner-Festhalle und das Hofbräu-Festzelt. Diese Zelte sind ebenso gesetzt wie die zwei Zelte, die Schützenvereinigungen gehören: das Armbrustschützenzelt von der Armbrustschützengilde „Winzerer Fähndl“ und das Schützenfestzelt des Bayerischen Sportschützenbundes.
Der Sektverkauf hat sich verdoppelt
Die fünf weiteren Zelte müssen sich dagegen jedes Jahr neu bewerben. Trotz der langen Tradition gehört die Schottenhamel-Festhalle zu diesen. In den anderen freien Zelten – Kufflers Weinzelt, Käfers Wiesn-Schänke, der Fischer-Vroni und dem Marstall – durften schon länger auch andere alkoholischen Getränke als Bier serviert werden. Formal fand hier mit dem Schampus-Erlass für Schottenhamel also eine Gleichbehandlung statt – die nun allerdings einer Ungleichbehandlung mit den anderen Biertempeln gleichkommt, für die enger gefasste Vorgaben gelten. Kein Wunder, dass dort manch einer schäumt. Wiesn-Themen werden in München immer äußerst emotional behandelt.
390 Euro kostet die 0,75-Liter-Flasche Dom Pérignon Vintage 2013, die im Schottenhamel mit gläsernen Krügen zusammen serviert wird. Was die Frage aufwirft, wie lukrativ das prickelnde Geschäft wohl ist? Ein Bierzelt sei nicht so leicht auf Champagner umzugewöhnen, hat Christian Schottenhamel dazu der AZ gesagt. Aber was heißt das schon?
Die Statistik, die dem Stadtrat fürs vergangene Jahr vorgelegt wurde, weist pro Festtag einen Champagner-Ausschank von insgesamt 1240 Litern aus (beim Bier waren es pro Tag mehr als 4134 Hektoliter). Der Schampus-Genuss blieb damit ungefähr auf dem Niveau des Vorjahres. Was aber auffiel: Beim günstigeren Sekt stiegen die Zahlen von 23 412 Litern 2022 deutlich an: auf 42 534. Möglicherweise ein Indiz, dass die Wiesn-Gäste doch etwas aufs Geld achten mussten.
Die Zahlen sind allerdings mit Vorsicht zu genießen. Sie beruhen auf freiwilligen Angaben. Und dass denen nicht immer zu trauen ist, ergab vor zehn Jahren ein Prozess wegen Steuerhinterziehung gegen einen damaligen Wiesn-Wirt. Der hatte nur jede zweite Champagnerflasche, die er verkaufte, dem Finanzamt gemeldet – und sich so einen Vorteil von mehr als 900 000 Euro ergaunert.