Oktoberfest:"Hier wird Weltpolitik gemacht"

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Die Mass darf auf dem Oktoberfest auch in Zukunft 10,70 Euro kosten - oder mehr. (Foto: Getty Images)
  • In einer dreistündigen Sitzung hat der Stadtrat über die Details der Ausgestaltung des Oktoberfests diskutiert.
  • Die Deckelung für den Bierpreis lehnte eine Mehrheit ab - der Zweite Bürgermeister Josef Schmid (CSU) hatte einen entsprechenden Vorschlag eingebracht, ohne ihn vorher mit dem Koalitionspartner und den anderen Fraktionen abzustimmen.

Von Franz Kotteder

"Nein, lieber Verkehrsverein Chieming, Sie sind nicht im Komödienstadl", begrüßte Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) am Mittwoch die Besuchergruppe auf der Zuhörertribüne des Münchner Rathauses. Der Hinweis war richtig, der Nachsatz "Hier wird Weltpolitik gemacht" eher dem Ironiebedürfnis Reiters geschuldet. Denn an diesem Vormittag ging es drei Stunden lang um Details der Ausgestaltung des Oktoberfests und allem voran um die Frage, ob der Preis für die Mass Wiesnbier bis einschließlich 2019 auf die Höhe von stattlichen 10,70 Euro gedeckelt werden solle.

Diese Frage hatte fast zwei Monate lang für heftige Diskussionen in der Stadt und darüber hinaus gesorgt. Aufgebracht hatte sie der Zweite Bürgermeister Josef Schmid von der CSU, mit der die SPD gemeinsam im Rathaus regiert. Jedenfalls in mancherlei Hinsicht. Weniger jedoch, wenn es um das Oktoberfest geht, da führten die Auseinandersetzungen der vergangenen Wochen um den Bierpreis zu einem handfesten Koalitionskrach. Denn Schmid, der zugleich auch Wirtschaftsreferent der Stadt (das entspricht im Rest Deutschlands einem Dezernenten) und damit oberster Chef des Oktoberfests ist, hat seinen Vorschlag gemacht, ohne ihn vorher mit dem Koalitionspartner und den anderen Fraktionen im Rathaus abzustimmen. Das hatte gegen das stille Reglement verstoßen, die Wiesn nicht für politische Zwecke zu instrumentalisieren.

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Der CSU-Mann hatte wegen der stark gestiegenen Sicherheitskosten für die Wiesn - in diesem Jahr muss München dafür an die 10,7 Millionen Euro einplanen - eine neue Umsatzpacht für die großen und kleinen Bierzelte vorgeschlagen und wollte zugleich den Bierpreis auf den Höchstsatz von 2016 festschreiben. Das solle verhindern, dass die Wirte die gestiegenen Kosten "einfach auf den normalen Wiesnbesucher umlegen", so Schmid.

Nun wird in München aber im Zusammenhang mit dem bayerischen Nationalfest wenig so heftig diskutiert wie die Höhe des Bierpreises. Nichts ist populärer, als über raffgierige Wiesnwirte zu schimpfen, die das Volk auf dem Umweg über die Wiesnmass hemmungslos ausnehmen. Alle Jahre wieder steigt der Preis nämlich in den einzelnen Zelten zwischen 25 und 33 Cent. Die Wirte begründen das mit gestiegenen Lohn-, Material-, Aufbau- und Zuliefererkosten. Das liegt nahe, denn bei den bis zu 10 000 Gäste fassenden Zelten handelt es sich um aufwendige Bierpaläste, die mit normalen Volksfestzelten nicht mehr zu vergleichen sind. Und das fließt natürlich ein in die Preise für Speisen und Getränke.

Wer also den Bierpreis deckelt, steigt leicht zum Volkshelden auf, wenn er sich damit durchsetzt. Eine rasch geschmiedete Koalition aus SPD, Grünen, Bayernpartei und FDP wollte Schmid diesen populistischen Erfolg jedoch nicht gönnen und verwies darauf, dass von einer Deckelung "höchstens Kampftrinker profitieren, nicht aber Familien". Schmid versuchte noch, den Bierpreis als "Leitpreis für alle anderen Getränke" zu erklären und somit begrifflich in die Nähe der "Leitkultur" zu rücken, aber vergebens. Am Ende blieb der Volksheld Schmid auf ein menschliches Maß gestutzt zurück, während der Preis für die Wiesnmass weiter steigen darf.

© SZ vom 18.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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