Oktoberfest:27 500 Euro für ein Dirndl

Oktoberfest 2017 - guests enjoy Käfers Wiesn Schänke.

Lilly Becker posiert vor der Käfer-Wiesnschänke für die Fotografen.

(Foto: Arthur Thill / ATP)

Lilly Becker ließ sich damit im Käfer-Zelt blicken. Wer mit so einem teuren Kleid auf die Wiesn geht, hat den Sinn des Oktoberfests nicht verstanden.

Stilkritik von Jana Stegemann

Nach vier Tagen ist ein neuer Wiesn-Rekord gebrochen: der des teuersten Dirndls. Getragen hat es am Dienstagabend Sharlely "Lilly" Becker im Käfer-Zelt. Wo auch sonst? "Felt like a princess", kommentierte die 41-Jährige auf Instagram. Und die Ehefrau von Boris Becker hatte allen Grund dazu, sich wie eine Prinzessin zu fühlen: Ihr sehr geschmackvolles Trachtenkleid wurde aus feinsten Materialien geschneidert. Mieder und Schürze sind aus hellgrauer Seide, die hochgeschlossene Bluse aus weißer Spitze.

Teuerster Bestandteil des Dirndls "Grace Kelly" (nach Monacos Fürstin Gracia Patricia) sind aber die sieben Knöpfe, bei denen es sich nach Auskunft der Stuttgarter Designerin Kinga Mathe um in Gold gefasste Mondsteine aus Indien handelt. Die Knöpfe seien in einer deutschen Goldschmiede aufwendig hergestellt worden, die Arbeitszeit pro Stück habe bis zu eineinhalb Tage betragen. Der zweitoberste Knopf ist zusätzlich mit Ein-Karat-Diamanten eingefasst. Kostenpunkt des Kleides: mindestens 27 500 Euro.

Die hat Lilly Becker natürlich nicht selbst bezahlen müssen, das Luxuslabel hat ihr das Dirndl für den Abend aus PR-Zwecken ausgeliehen, die Designerin selbst sagte der Bild-Zeitung: "Es war der perfekte Anlass um das Kleid zu zeigen." War es der wirklich?

Geschenkt, dass das Dirndl schon lange nicht mehr praktisches Arbeitskleid für junge Frauen und Dienstboten ist, sondern modernes Partykleid. Nicht alle müssen auf der Wiesn in einfachen Waschdirndln aus Baumwolle oder Leinen herumlaufen. Es geht auch nicht darum, in Sack und Asche oder 50-Euro-Plastikdirndln aus China auf der Bierbank zu stehen. Und ja, Dirndl aus edlen Materialien sieht man nicht zum ersten Mal auf dem größten Volksfest der Welt. Wer allerdings mit einem derart teuren Dirndl auf die Wiesn geht, hat den Sinn des Oktoberfests nicht verstanden.

Münchens früherer Bürgermeister Christian Ude befand vor Jahren: "Das Dirndl stärkt das Zusammengehörigkeitsgefühl beim Feiern." Doch mit einem 27 500 Euro-Dirndl passt man sich nicht einer Masse an - man distanziert sich komplett von ihr. In einem Wiesn-Zelt, zu dem das Volk aber sowieso keinen Zutritt hat, nicht der Rede wert. Sondern ein weiterer Beweis dafür, wie weit der Wiesn-Wahnsinn schon vorangeschritten ist.

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