Oktoberfest:Ein Wiesnwirt im Pazifik

Oktoberfest: Auf Guam bewirtet der Westfale Ludwig Uhmeyer vor allem asiatische Touristen und US-Soldaten.

Auf Guam bewirtet der Westfale Ludwig Uhmeyer vor allem asiatische Touristen und US-Soldaten.

Wenn das Oktoberfest in München vorbei ist, geht es auf der Insel Guam erst los - trotz nuklearer Drohungen aus Nordkorea. Ein Besuch im "McKraut's", einem sagenhaften Außenposten des bayerischen Biers.

Von Arne Perras

Die Straße windet sich durch dichten Wald, führt vom Hügel hinunter zu einer felsigen Bucht, vorbei an "Jeff's Pirates Cove", wo der durstige Reisende schon Rast machen könnte, um einen eisgekühlten Sundowner zu schlürfen. Aber dafür ist jetzt keine Zeit, es gilt, ein anderes, viel wichtigeres Ziel zu erkunden. Man ist auf der Suche nach dem sagenhaften Außenposten des bayerischen Biers.

Irgendwo hier, in den Weiten des Pazifiks, soll er zu finden sein. Das Auto rollt also weiter Richtung Südspitze der Insel, bergauf, bergab. Windböen peitschen den Wagen, bald flattern Hühner über den Weg, es kommen hell getünchte Bungalows in Sicht. Und dann wäre man fast vorbeigefahren. Ein Flachbau auf der linken Seite, am Dach ein rotes Schild: "McKraut's", steht da. "Bar & Restaurant." Das muss es sein.

Ein wenig abgelegen, das ist schon wahr. Von München aus betrachtet ist es sogar eine halbe Weltreise. Fast zwei Tage dauert es, um das Eiland Guam im westlichen Pazifik zu erreichen. Wer es aber ernst meint mit dem Weiterfeiern nach dem Ende der Wiesn, der könnte es noch rechtzeitig schaffen. Denn auf Guam startet das Oktoberfest erst am 7. Oktober. Die Blasmusik wird dort also noch aufspielen, wenn die Zelte des Münchner Originals längst wieder verschwunden sind.

Nicht dass man extra eingeflogen wäre, um das McKraut's zu erkunden. Die Sache ist eher die, dass Guam im Sommer wegen einer ganz anderen Geschichte in die Schlagzeilen geraten war. Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un hatte in jenen Wochen gedroht, er wolle die Insel mit seinen Atomraketen "in Feuer hüllen". Guam, das ist pazifisches US-Territorium, Stützpunkt für Amerikas Luftwaffe und Marine. Und damit potenzielles Ziel für Kim. Aber die Drohungen aus Pjöngjang scheinen dem deutschen Wirt Ludwig Uhmeyer nichts anzuhaben. Und seinen Gästen auch nicht. Zumindest sieht das so aus, wenn man das McKraut's in Zeiten der Nuklearkrise besucht.

Ein Mittwoch, kurz nach zwei: Die Holztische vor dem Tresen sind gut gefüllt. Es essen hier viele japanische und südkoreanische Touristen, aber auch einige einheimische Insulaner. Nachkommen der Chamorro, jener Ureinwohner, die sich im Laufe der Geschichte mit wechselnden Herren - mal waren es die Spanier, dann die Amerikaner - herumschlagen mussten. Sie mischten sich mit Einwanderern aus allen Himmelsrichtungen, heute haben sie alle einen amerikanischen Pass, auch wenn sie den Präsidenten auf dem Festland nicht mitwählen dürfen.

Zwei Chamorro essen Hendl mit Kartoffelsalat. Kräftige Männer sind das, mit Waden, die jedem gestandenen Bayern Tränen in die Augen treiben müssen. Man sieht es schon, sie haben eine Vorliebe für deftiges Fleisch. Und im McKraut's herrscht daran kein Mangel, knackig gebraten, gegrillt oder geschmort. Jägerschnitzel mit Spätzle, Bratwurst, Schnitzel. Die Teller bei Ludwig Uhmeyer, den alle Lutz nennen, sind immer prall gefüllt.

Aus den Lautsprechern trällern und jodeln jetzt alpenländische Volksmusikanten. Oder solche, die sich dafür halten. "Kennst du die Perle, die Perle Tirols". Die asiatischen Touristen blicken verzückt. Und auch die Chamorro scheint die exotische Dudelei ferner Bergvölker nicht zu irritieren. Sie haben ja auch schon weit Schlimmeres durchgemacht, wie man ethnologischen Büchern über die kolonialen Eroberungen entnehmen kann.

Passend zur Musik trägt der Wirt einen grünen Tirolerhut mit Gamsbart, ansonsten Shorts und Basketball-Shirt, man ist ja schließlich in den amerikanisierten Tropen. Uhmeyer importiert auf Guam das Bier. Und er hat das Restaurant mit der deftigen deutschen Küche ganz alleine aufgebaut. "Aus dem Nichts, hier war nur Grasland", sagt der 67-Jährige.

Nukleare Drohungen? "Ach, das juckt hier keinen besonders"

Genau genommen sind es natürlich nicht nur bayerische Biersorten, die Uhmeyer ausschenkt, er hat etwa 50 Marken aus aller Welt auf Lager. Und auch das Bier aus seiner Heimat darf nicht fehlen. Detmolder Thusnelda. Steht auf der Karte gleich beim Hofbräu Original. Der Wirt stammt aus dem kleinen Ort Belle, Landkreis Lippe, Nordrhein-Westfalen. "A Preiß, wie ihr in Bayern sagt." Aber das war gar nicht hinderlich, um sich auf Guam als Oktoberfestwirt zu etablieren.

Schon mit 23 Jahren zog es Uhmeyer in die Ferne, er ging als junger Koch nach Chicago, später nach Kalifornien, wo er zwei Restaurants betrieb. 1986 siedelte er schließlich nach Guam um. "Wollte nochmal was anderes machen." Vermisst hat Uhmeyer die Heimat nie besonders. "Vielleicht mal ein Frühstück mit frischen Brötchen", sagt er. Eine Familie hat er in all den Jahren nicht gegründet, "hat sich nicht ergeben". Zum Oktoberfest fliegt aber immer seine Schwester aus Deutschland zur Verstärkung ein. Darüber ist er froh.

Und die nuklearen Drohungen? "Ach, das juckt hier keinen besonders", sagt Uhmeyer. Nicht einmal seine besten Kunden. Das sind die US-Soldaten, die auf der Insel ihren Dienst tun. Am Wochenende kommen sie in Scharen ins McKraut's. Und unter der Woche kommt Uhmeyer auch mal zu ihnen. Der Wirt liefert dann direkt auf den Stützpunkt. Gerade erst war er drüben bei der Navy. "Die brauchten wieder mal Bier", sagt Uhmeyer. "Viel Bier."

Eine bessere Kundschaft könne er sich eigentlich nicht vorstellen, sagt er. Und Zoff habe er mit Soldaten auch noch nie erlebt. "Wirklich. Da war nie was." An den Wochenenden geht es freilich hoch her. Und wenn Oktoberfest ist, sowieso.

Eine bayerische Kapelle einzufliegen, käme etwas teuer. Aber die braucht Uhmeyer gar nicht, denn er hat ja die Professoren von der "University of Guam". Die Dozenten kommen meist vom US-Festland. Und sie freuen sich schon drauf, an den Wochenenden Trompeten, Posaunen und Akkordeon auszupacken. Natürlich kommen sie in Lederhosen, was sonst. Ist ja längst zum globalen Dorf geschrumpft, diese große weite Welt. Da kann man jetzt überall den lustigen Bayern geben, auch auf der Insel Guam, 11 753 Kilometer von der Theresienwiese entfernt.

Und so werden sie beim McKraut's unter den Bäumen sitzen, sich die salzige Brise vom Pazifischen Ozean um die Nase wehen lassen, und natürlich: Bier trinken. Viel Bier. Bevorzugt aus Bayern, das ist doch klar.

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