Oktoberfest:Diese Frau ist die Nummer eins im Schottenhamel

Oktoberfest: Claudia Neuhofer ist die Chefbedienung im Schottenhamel-Zelt.

Claudia Neuhofer ist die Chefbedienung im Schottenhamel-Zelt.

(Foto: Stephan Rumpf)

Claudia Neuhofer ist Chefbedienung in dem Oktoberfest-Zelt. Sie entscheidet, wer dort arbeitet oder wann das Zelt geschlossen wird. Dabei war Wiesn eigentlich gar nicht ihr Stil.

Von Franziska Stadlmayer

Liegen die Tischdecken richtig? Stimmt die Anzahl der eingedeckten Plätze? Und was, wenn jetzt eine Bedienung krank wird und den Rest der Wiesn ausfällt? Solche Probleme löst Claudia Neuhofer. Seit 21 Jahren arbeitet die 47-Jährige im selben Zelt, dem Schottenhamel, elf davon als Chefbedienung. Die Bedienungen betreuen jeweils ein paar Tische, Neuhofer schaut auf das ganze Zelt. "Ich nenne es den 360-Grad-Blick", sagt sie.

Neuhofer ist die Nummer eins unter den Bedienungen. Bis vor kurzem sah man das auch nach außen, schließlich tragen die Kellnerinnen im Schottenhamel Herzchen mit ihrer Nummer am schwarzen Kleid zum weißen Spitzenhäubchen. Sie betreute ihre eigenen Tische, schrieb dazu die Dienstpläne und versuchte, ihre Augen überall zu haben.

Wenn sie jetzt ihre Runden durchs Zelt dreht, trägt sie Dirndl statt Servicetracht. Sie hat nämlich keine eigenen Tische mehr. Die Rundgänge dauern, sie kommt immer nur ein paar Meter weit. Auf Höhe des Biergartens wartet schon die erste Bedienung. Sie habe gesehen, dass am Seitengang Flecken an der Wand sind. Die wurden beim Putzen übersehen. Neuhofer nickt, sie wird in der Spüle Bescheid geben. Ihre Mappe hat sie unter den Arm geklemmt, Notizen macht sie sich keine: "Ich kann mir das alles merken." Ein gutes Gedächtnis oder die langjährige Erfahrung? "Eine Mischung aus beidem vermutlich", sagt Neuhofer.

Eigentlich wollte sie schon nicht mehr weitermachen. 20 Jahre, fand sie, wären eine super Zahl gewesen, um aufzuhören. Um sie zu behalten, führten die Schottenhamels eigens für sie auch noch den Posten der Serviceleitung ohne eigene Tische ein. "Die Nummer 1 der Bedienungen bin ich natürlich trotzdem noch", sagt Neuhofer und lacht laut.

"Wiesn war nicht mein Stil"

Ihre Karriere im Zelt begann durch Zufall. Sie plante gerade eine Motorradtour durch Südafrika. Dann kam der Anruf einer Freundin, ob sie auf der Wiesn einspringen könnte. "Nie im Leben, habe ich gesagt." Neuhofer ist gelernte Konditorin, hat dann auf Restaurantfachfrau umgeschult. "Ich kam aus Häusern, in denen der Wein dekantiert wurde. Wiesn war nicht mein Stil." Schließlich willigte sie doch ein, für ein Jahr, das Geld konnte sie gut gebrauchen.

In ihrem ersten Jahr hat sie sich einmal mit den vollen Masskrügen verlaufen und ihre Tische nicht mehr gefunden. Die Plätze sind zwar durchnummeriert, die Nummern stehen aber nicht auf den Tischen. "Die Menschen an den Tischen hatte ich noch nie gesehen - da habe ich Panik bekommen." Das ist ihr nie wieder passiert, danach lernte sie alle Tischnummern auswendig.

Aus einem widerwilligen Freundschaftsdienst wurde echte Begeisterung. Natürlich gebe es unangenehme Gäste. Aber: "Das ist Einstellungssache. 95 Prozent der Gäste sind nett, wieso soll ich mir dann von fünf Prozent den Tag verderben lassen?" Wenn nicht Wiesn ist, arbeitet sie als Flight Managerin am Flughafen für eine große Airline, sie ist etwa dafür verantwortlich, dass das Essen rechtzeitig im Flugzeug ist und das Bordpersonal weiß, wo es hinmuss.

Durchschnittlich bleibt eine Kellnerin sieben bis 15 Jahre

Seit diesem Jahr ist Neuhofer eine von drei Personen, an denen noch eine ganz andere Verantwortung hängt: Sie kann entscheiden, wann das Schottenhamel wegen Überfüllung geschlossen wird. Nicht auszudenken, sagt sie, wenn jemand wegen eines überfüllten Zeltes zu Schaden käme.

Neuhofer prüft auch, ob alle zur Schicht erschienen sind und sie brieft das Personal für Reservierungen. Das erste Jahr als Chefin war anstrengend. "Ich kam abends mit einem rauchenden Kopf nach Hause." Dinge wie den Ablaufplan hatte sie parat, nicht aber die vielen Kleinigkeiten, die man durch jahrelange Erfahrung lernt.

Am Nachbartisch stehen zwei junge Bedienungen. Beide sehen aus, als hätten sie gerade erst Abitur gemacht und sind jetzt, in der zweiten Wiesnwoche, blass vor Erschöpfung. Neuhofer lässt den Blick über die Tische schweifen. Alles sauber? Die Speisekarten richtig ausgerichtet? Dann gibt sie noch ein paar Tipps für die anstehende Reservierung. Als eine der beiden hustet, es klingt nach böser Erkältung, legt Neuhofer ihr kurz die Hand auf den Arm und lächelt aufmunternd: "Nur noch ein paar Tage, das schaffen wir."

Zu Neuhofers Aufgaben gehört es auch auszuwählen, wer einen der begehrten Jobs als Wiesnbedienung bekommt. Höchstens 20 Prozent neue Kräfte stellt sie jedes Jahr ein. Durchschnittlich macht eine Kellnerin den Job zwischen sieben und 15 Jahre lang, "dann ändern sich oft die Lebensumstände", sagt sie. Bei Frauen heißt das meistens: Kinder. Auch Neuhofer ist Mutter, alleinerziehend. Während der Wiesn waren die Kinder bei Oma und Opa und kamen einmal zum Mama-Besuch aufs Festgelände: "Da war dann die wichtigste Frage, welche Fahrgeschäfte sie fahren dürfen." Inzwischen sind die beiden erwachsen und schätzen Mamas gute Verbindungen ins Zelt.

Claudia Neuhofer hat ihre Runde durchs Zelt beendet. Jetzt wirft sie doch noch einen Blick in ihre Mappe. Gleich ist Reservierungswechsel. Hat sie auch nichts vergessen? Kurz ist ihr Gesicht konzentriert, dann strahlt sie wieder und sagt: "Ich bin jeden Tag gerne hier."

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