Süddeutsche Zeitung

Oktoberfest:Die nicht so armen Wiesn-Wirte

Dass der Preis für die Mass von Jahr zu Jahr steigt, folgt anscheinend einem Naturgesetz. Es wäre gut, wenn die Kriterien für die Zulassung zur Wiesn ähnlich unangreifbar wären.

Kommentar von Franz Kotteder

Warum um Himmels Willen tun sich die das bloß alle Jahre wieder an? So ein Wiesnzelt steht 16 oder 17 Tage auf der Theresienwiese, macht aber trotzdem das ganze Jahr über Arbeit, die keiner sieht.

Und dann wird man noch als Raffzahn verleumdet, bloß weil man seine Unkosten auf den Bierpreis umlegt - so wie es die Biergärten übrigens auch alljährlich machen, aber da regt sich kaum jemand darüber auf. Obwohl ein Biergarten schließlich nicht auf das Argument mit den hohen Auf- und Abbaukosten verweisen kann. Erstaunlich also, dass auch heuer wieder ein paar Handvoll Leute dazu bereit sind, uns den Wiesnwirt zu machen.

Es wären sogar noch mehr gerne auf die Wiesn gegangen, zum Beispiel die Entenbraterei Heimer, die eh schon viele Jahrzehnte dort war. Sie wird jetzt wohl klagen gegen die Nichtzulassung: Sie hatte überraschend zu wenig Punkte bekommen. Ähnlich war es 2015 der Hühnerbraterei Poschner gegangen, die nach 80 Jahren von der Wiesn flog. Auch sie hat geklagt, das Verfahren läuft noch.

Die Zulassung wird erteilt nach einem ausgeklügelten Punktekatalog, von dem die Stadt sagt, er sei ebenso objektiv wie gerecht und habe bisher jeder juristischen Anfechtung standgehalten. Wie viele Klagen es tatsächlich gab, weiß aber niemand so recht zu sagen - meistens einige man sich außergerichtlich, heißt es. Klar, wer will es sich schon mit der Zulassungsbehörde verderben?

Aber das könnte sich jetzt ändern. Es gibt ja doch ein paar Kriterien wie Tradition, Anziehungskraft, Sachkenntnis oder Volksfesterfahrung, deren Bewertung nicht immer objektiv nachvollziehbar ist, um es vorsichtig auszudrücken.

Dass so etwas angreifbar ist, haben die Streitereien um die Vergabe des Kulturstrands gezeigt, bei dem ein ähnlicher Punktekatalog zum Einsatz kam. Sollten die Richter eines Tages das Zulassungsverfahren kippen, wird es schwierig für die Stadt. Denn dann werden viele Klagen folgen. Es scheint so zu sein, als ob eine ganze Menge Leute scharf darauf sind, alle Jahre wieder für steigende Bierpreise den Kopf hinzuhalten.

Entenbraterei prüft Klage

Anfang Mai gab die Stadt bekannt, wer 2016 auf die Wiesn darf: Der Traditionsbetrieb Entenbraterei Heimer war überraschend nach mehr als 30 Jahren nicht mehr dabei, ebenso wie der Fisch-Bäda. Dessen Inhaber Peter Lingnau trägt es mit Fassung: "Das liegt halt an der kleineren Wiesn, wegen des Landwirtschaftsfests." Er will die Entscheidung der Stadt nicht anfechten, anders als die Entenbraterei Heimer. Deren Inhaber Ignaz Schmid hat die auf Wirtschafts- und Kommunalrecht spezialisierte Wirtschaftskanzlei Gaßner Rechtsanwälte beauftragt, die Aussichten für eine Klage gegen die Nichtzulassung zu prüfen.

Der Rechtsanwalt Otto Gaßner hat sich der Sache angenommen und nun "detaillierte Akteneinsicht zu den Bewertungen und Entscheidungen für die Zulassung beziehungsweise Ablehnung zur Wiesn 2016" beantragt. Bei einem ersten Termin am vergangenen Dienstag habe man nur sehr unzureichende Auskünfte erhalten. Nun wolle man es genauer wissen und Klage einreichen, falls die Stadt keine überzeugenden Begründungen vorlegen könne.

Die Entenbraterei Heimer ist seit mehreren Jahrzehnten auf dem Oktoberfest vertreten und war heuer nicht zugelassen worden, da sie die erforderliche Punktzahl nicht erreicht hatte. Die Stadt entscheidet nach einem Punktekatalog, in der verschiedenste Kriterien abgefragt und bewertet werden, unter anderem auch die Volksfesterfahrung der Betreiber und die Attraktivität des Betriebs fürs Publikum. Im Jahr 2015 musste schon die Hühnerbraterei Poschner nach 80 Jahren auf der Wiesn überraschend ihren Standplatz räumen, sie ist in diesem Jahr aber wieder dabei. fjk

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SZ vom 17.06.2016/infu
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