Oktoberfest:Die Luxus-Variante der Wiesn

München: Sarah Tack - Designerin von Luxus-Dirndl

Wer sich bei Sarah Tack einkleiden lässt, trägt die Tracht meist nur ein mal - obwohl sie edel ist.

(Foto: Johannes Simon)

Sarah Tack kleidet Gäste im Charles Hotel exklusiv für den Oktoberfest-Besuch ein. Da wandern schon mal mehr als zehntausend Euro über den Tisch.

Von Laura Kaufmann

Sarah Tack trägt jeden Tag eines ihrer Dirndl, die gesamten 17 Wiesntage lang. Allerdings nicht im Festzelt auf der Theresienwiese, sondern in einem Konferenzraum. Sie trägt ihre eigenen Entwürfe - auch, um sie zu verkaufen. Der Konferenzraum gehört zum Charles Hotel, während des Oktoberfestes wird er zu einer Zweigstelle ihrer Boutique "Dirndl Liebe" in der Brienner Straße. Auf einer Garderobenstange hängen handgefertigte Unikate aus Seide und Spitze, Hemden und Lederhosen auf einer anderen. Üppige Blumenkränze und zarter Perlenschmuck sind auf einem Tisch arrangiert.

Viele Oktoberfestbesucher decken sich am Hauptbahnhof mit 20-Euro-Trachten ein, versuchen sich im Hofbräuzelt am Mass-Exen und zerreißen die Stofflederhose dann beim Tobogganrutschen. Im Charles Hotel am Alten Botanischen Garten steigen andere Touristen ab, und Sarah Tack kleidet sie ein.

Aber auch wenn ihre Kunden eine andere Wiesn erleben: Sie tragen die Tracht meist auch nur einmal. Obwohl sie dafür das Hundertfache ausgeben. Das Hemd, das der Amerikaner hinter dem Paravent im Raum gerade anprobiert, ist ihm etwas zu klein - ein größeres wäre noch im Angebot, in weiß, bietet eine Mitarbeiterin an. Aber das Hemd soll kariert sein, rotkariert wenn möglich. Also wird sie eines aus der Boutique holen, das dem Gast später auf sein Zimmer geliefert wird, rechtzeitig bevor er zu seiner Zeltreservierung aufbricht.

"Sie wollen alle die karierten Hemden, vor allem Amerikaner", sagt Sarah Tack. "Die Gäste kommen mit bestimmten Bildern im Kopf, wie sie sich eine bayerische Tracht vorstellen. Und ein weißes Hemd entspricht diesem Bild nicht." Auch davon, dass eine Lederhose eher eng sitzen muss, weil sie beim Tragen noch weiter wird, muss sie die Gäste oft überzeugen. Frauen aus dem östlichen Teil Europas suchen sich in schöner Regelmäßigkeit die Dirndl mit dem meisten "bling-bling" aus; Sarah Tack hat die Käuferin schon im Hinterkopf, wenn sie eines dieser glänzenden Trachtenkleider entwirft.

Ihr Job ist es, die Vorstellungen der Touristen mit den tatsächlichen Trachtentrends in Einklang zu bringen und sie so zufrieden wie fesch auf die Wiesn zu schicken. Die Gäste steigen in einem Fünf-Sterne-Haus ab. Da geht es nicht um den Preis, sondern um ein Rundum-Sorglos-Paket. Wenn die Tracht ausgewählt ist, wird sie gegebenenfalls von der Schneiderin vor Ort noch angepasst, dann aufs Zimmer geliefert.

Manchmal kommt eine Gruppe von zehn Leuten in Sarah Tacks Zimmer, lässt sich etwas empfehlen, und nicht einmal eine halbe Stunde später sind sie wieder verschwunden. Mehr als zehntausend Euro wandern dann über den Tisch. 900 Euro aufwärts müssen die Gäste für ein Dirndl investieren, mit allen Accessoires kommen auch mal zweieinhalbtausend Euro zusammen. Lederhosen sind ab 500 Euro zu haben.

Dafür bekommen die Luxustouristen noch einige Tipps mit auf den Weg. Wie man die Schleife bindet etwa, oder dass Riemchensandalen nicht das geeignete Schuhwerk für die Wiesn sind. Eine Stylistin vor Ort macht den Damen die Haare. "Viele wollen zwei seitliche Zöpfe haben", sagt Sarah Tack. Gretelzöpfe eben. "Sie denken, das trägt man auf dem Oktoberfest so." Sie erklärt dann, dass andere Flechtfrisuren angesagter sind. Wenn die Gäste möchten, können sie im Hotel zusätzlich noch alles bis hin zu Spray Tanning für das Dekolleté oder die Wadln buchen. Und falls noch ein Tisch gewünscht ist, besorgt ihn der Concierge. Manche Gäste bringt eine Limousine auf die Wiesn.

Erst letzte Woche standen zwei amerikanische Pärchen an der Hotelrezeption, die eigentlich nur eine Rundreise durch Europa machen wollten und erst vor Ort erfuhren, dass in München zufällig gerade dieses berühmte Oktoberfest stattfindet. Auch diese Vierergruppe machten Sarah Tack und das Hotelteam noch schnell wiesnfit. Den Abend verbrachten die Gäste dann in schönsten Trachten, die Frauen mit frisch gebräunten Dekolletés.

Nur Kinderdirndl, die hat Sarah Tack nicht mehr im Angebot. Einmal, weil die Touristen das Oktoberfest nicht unbedingt als Familienfest mit Bummel und Fahrgeschäft begreifen und ihre Kinder gar nicht erst mitnehmen. Aber auch, weil sie testweise einmal eines dabei hatte. Gekauft wurde es. Von einer erwachsenen Frau allerdings, bei der das kleine Dirndl gerade einmal das Nötigste bedeckte. Abbringen ließ sie sich von dem knappen Outfit nicht. Am Ende ist eben der Kunde König. Und Geschmack lässt sich auch mit viel Geld nicht kaufen.

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