Oktoberfest:"Die Leute zeigen auf mich und lachen"

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Flaschen und Dosen, die nicht mit auf das Gelände genommen werden dürfen, liegen am Haupteingang des Oktoberfestes. (Foto: dpa)

Sultan H. sammelt während des Oktoberfests Flaschen, immer am Haupteingang. 15 bis 20 Euro verdient er pro Tag - wenn er nicht beklaut wird.

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"Ich bin arbeitslos, mit dem Flaschen sammeln verdiene ich mir etwas Extrageld. Meine Tochter ist sehr sportlich. Ich versuche, sie bei den Kursgebühren zu unterstützen. Auch für Tabak und Drehzeug kann ich das Geld gut brauchen.

Ich wohne in Starnberg, da habe ich schon ab und zu Flaschen gesammelt, meistens am Starnberger See. Aber das ist mühsam. Man läuft viel, wühlt in Mülleimern und kommt meistens zu spät.

Hier auf der Wiesn war ich bisher fast jeden Tag. Meistens stehe ich direkt am Haupteingang, wo viele Leute vorbeikommen. Ich schätze mal, dass wir rund um die Wiesn ungefähr 15 Flaschensammler sind, die einen festen Standort haben. Ich bin jetzt seit gut drei Stunden hier und bleibe wahrscheinlich noch bis 20 Uhr.

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Aktuell habe ich hier Flaschen im Wert von ungefähr zehn Euro stehen. Die Dosen sind gut, die bringen 25 Cent. Viele hier haben aber Bierflaschen dabei, die brauchen Platz und sind nur acht Cent wert. Zwischen 15 und 20 Euro bekomme ich an einen Nachmittag zusammen. Unter der Woche ergibt es keinen Sinn, vor dem Nachmittag zu kommen, und länger bleiben lohnt sich dann auch nicht mehr.

Ich muss ja danach noch mit der S-Bahn nach Starnberg fahren, an Sonntagen mit den ganzen Flaschen, die kann ich ja nirgends abgeben. Dann habe ich meinen Einkaufstrolley und zwei volle Taschen dabei, das ist schwer und klirrt laut. Wenn ich hier in München wohnen würde, dann könnte ich länger bleiben und würde mehr Umsatz machen.

Damit die Leute wissen, wo sie ihre Flaschen abstellen können, brauche ich am Anfang immer so vier bis fünf Flaschen, die stelle ich dann neben mir auf den Boden. Ich bleibe die ganze Zeit daneben stehen. Rumzulaufen und aktiv zu suchen bringt wenig - die Konkurrenz ist hoch. Und wenn ich weggehe, klauen andere meine Flaschen.

Vor zwei Tagen ist das passiert. Ich war auf der Toilette, als ich wiederkam, war alles weg - gut 20 Euro und damit die ganzen Tageseinnahmen. Das war bitter. Besonders jetzt, am Monatsende, merke ich das. Bald gibt es wieder Geld, aber da gehen dann noch Rechnungen weg. Wenn ich jetzt aufs Klo muss, kann ich nur hoffen, dass ich jemanden finde, der kurz aufpasst.

Ich verstehe nicht, wie mich Menschen behandeln, die hier vorbeilaufen. Gut die Hälfte wirft mir abfällige Blicke zu, oder die Leute zeigen auf mich und lachen. Die anderen sind in Ordnung. Ich weiß nicht, wieso manche mir ihre Verachtung so zeigen müssen.

Das, was ich hier tue, ist nicht illegal, ich habe gestern extra zwei Polizisten gefragt. Alles in Ordnung, ich darf hier stehen. Ich sage immer, wenn ich Geld brauche, muss ich mir was überlegen, aber klauen werde ich niemals. Darauf bin ich stolz."

Gute Wiesn-Gschichten bleiben gut. Der Artikel erschien erstmals 2017.

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