Eigentlich hat sich ja nichts geändert: Bis April war der Konsum von Cannabis verboten – also auch auf der Wiesn. Und im Juli verabschiedete der Landtag das „Bayerische Cannabisfolgenbegrenzungsgesetz“, das den Konsum von Cannabis auf Volksfesten generell verbietet. Also auch auf dem Oktoberfest, das am 21. September begonnen hat. Verboten ist allerdings nur der Konsum – nicht das Cannabis in erlaubten Mengen, das in der Tasche bleibt. Hat sich der Rauch damit verzogen und alle Fragen sind geklärt? Ein Überblick über Gesetze, Pläne und die Wirklichkeit.
Was steht in den Gesetzen?
Laut dem „Gesetz zum Umgang mit Konsumcannabis“ ist das Kiffen „in unmittelbarer Gegenwart von Personen, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben“, verboten. Damit – und das war auch die Meinung von Grünen und SPD im Münchner Stadtrat – erübrigen sich eigentlich weitergehende Verbote. Denn auf der Wiesn und in ihrem Umfeld sei ja standardmäßig damit zu rechnen, dass kleine Kinder (bis 20 Uhr) oder Jugendliche zusammen mit ihren Eltern unterwegs sind.
Der CSU genügte das nicht. Sie beschloss zusammen mit Freien Wählern und AfD das Gesetz mit dem Bandwurmnamen und änderte damit das Gesundheitsschutzgesetz. Dieses verbietet jetzt das „Rauchen von Tabakwaren und Cannabisprodukten, einschließlich jeglicher mit synthetischen Cannabinoiden versetzter Stoffe“, auch „auf Volksfestgeländen mit Ausnahme der privaten Aufenthaltsbereiche dort beruflich Beschäftigter“. Untersagt ist auch das „Erhitzen und Verdampfen von Cannabisprodukten einschließlich einer Nutzung von zu diesem Zweck verwendeten E-Zigaretten, Vaporisatoren oder vergleichbaren Produkten“.
Adeles Konzertveranstalter in München:Leutgeb mit Kokain auf der Wiesn erwischt
Er holte Pop-Größen wie Adele und Robbie Williams nach München und wurde nun vor einem Wiesn-Zelt mit Koks erwischt: Zuvor saß Klaus Leutgeb noch beim Anstich in der Ratsboxe bei Münchens Stadtpolitikern. Über einen Vorfall, der noch größere Auswirkungen haben könnte.
Verstöße sind Ordnungswidrigkeiten und können mit Geldbußen bis zu 1500 Euro, im Wiederholungsfall sogar bis 5000 Euro geahndet werden. Das Verbot gilt nach Polizeiangaben für das Verbrennen, Erhitzen und Verdampfen von Cannabis-Produkten: „Andere Arten des Konsums sind nicht im Gesetz geregelt.“
Sind Drogen auf dem Oktoberfest ein Problem?
Kommt darauf an, was man unter Drogen versteht... Da Alkohol legal ist, konzentriert sich die Debatte zumeist auf Kokain und Cannabis-Produkte. Und da gab es vergangenes Jahr einen massiven Anstieg. Die Konsumenten tun das oft nicht einmal besonders heimlich, sondern kiffen und schnupfen in den Zelten oder am Hügel im Schatten der Bavaria. Überdurchschnittlich viele Drogenkonsumenten sollen aus dem Ausland kommen – und, wenn sie erwischt werden, ganz erstaunt tun, dass der eine Rausch erlaubt, der andere aber verboten ist.
Die Gesamtzahl der Straftaten auf der Wiesn stieg laut Polizeibilanz vergangenes Jahr mit 1093 Anzeigen leicht an. Im Bereich der Betäubungsmittelverstöße gab es dagegen „eine deutliche Steigerung“. Dieser Deliktbereich machte etwa ein Drittel aller Anzeigen aus. Gegenüber 2022 konnten vergangenes Jahr etwa 80 Prozent mehr Tatverdächtige gefasst werden, die mit illegalen Rauschmitteln zu tun hatten. 202 Fälle waren es 2022, 368 im Jahr 2023. „Hauptsächlich handelte es sich dabei um den unerlaubten Besitz von geringen Mengen Cannabis und in fast 40 Prozent der Fälle um den Besitz von Kokain“, schrieb die Polizei.
Warum so viele Übeltäter erwischt wurden? Vermutlich war das gute Wetter verantwortlich. Denn die Polizei überwachte die Theresienwiese mit 54 Kameras. Da blieb kaum ein im Freien gerauchter Joint unbemerkt.
Wie sah es andernorts nach der Teillegalisierung aus?
In Dachau findet das Volksfest – einst berühmt für das billigste Bier bayernweit – in der ersten Augusthälfte statt. Gerade einmal 40 Straftaten und Ordnungswidrigkeiten registrierte die Polizei dort, darunter nur eine Handvoll Drogendelikte. Auf dem ungefähr gleichzeitigen Straubinger Gäubodenfest hielten sich offenbar fast alle der immerhin 1,3 Millionen Besucherinnen und Besucher an das Cannabisverbot. „Drei Personen verstießen gegen dieses Verbot“, bilanziert die niederbayerische Polizei. „Gegen zwei weitere Personen wurden im Umfeld des Festgeländes Anzeigen erstattet, weil sie Cannabis in der Nähe von Spielplätzen konsumierten.“
Auf dem gerade zu Ende gegangenen Abensberger Gillamoos registrierte die Polizei 19 Straftaten und eine Ordnungswidrigkeit. Nur ein Cannabis-Delikt wurde bekannt: Als drei junge Österreicher kontrolliert wurden, konnten diverse Rauschgiftutensilien und zwei Gramm Marihuana aufgefunden werden. Gezielt nach Cannabis-Sündern gefahndet – etwa durch den Einsatz von Drogenspürhunden – wurde offenbar nirgends.
Welche Linie wird die Münchner Polizei auf der Wiesn fahren?
Man verfolge „tagtäglich sowohl Straftaten als auch Ordnungswidrigkeiten“, sagt Polizeisprecher Christian Drexler auf Nachfrage. Dabei müsse man priorisieren, „wonach natürlich der Verfolgung von Straftaten oberste Priorität eingeräumt werden muss“. Gleichwohl würden selbstverständlich Ordnungswidrigkeiten ebenfalls verfolgt. Das werde man auch auf dem Oktoberfest so halten.
Drexler nennt ein Beispiel: „Wenn eine Wiesn-Einsatzgruppe frei ist, wird sie natürlich vorrangig zur Schlägerei geschickt und erst dann zu der Mitteilung über eine festgestellte Ordnungswidrigkeit wie dem verbotenen Konsum von Cannabis.“ Der Fokus der Münchner Polizei liege selbstverständlich vor allem auf dem Thema Kinder- und Jugendschutz. „Daher werden wir den Konsum in unmittelbarer Nähe von Kindern und Jugendlichen nicht dulden und festgestellte Verstöße konsequent verfolgen.“
Grundsätzlich sei das Vorgehen der Münchner Polizei „am Dialog orientiert“. Die Einsatzkräfte würden die Besucherinnen und Besucher des Oktoberfestes deshalb auf bestehenden Regelungen hinweisen. Bei der Teilnahme am Straßenverkehr unter dem Einfluss von Cannabis hört der Dialog freilich schnell auf. Fahren unter Drogeneinfluss könne wie beim Alkohol eine Ordnungswidrigkeit oder gar eine Straftat darstellen. Drexler: „Dazu werden wir verstärkt Kontrollen in Stadt und Landkreis durchführen.“
Wie und wo kontrolliert die Münchner Polizei auf der Wiesn?
Die Münchner Polizei ist auf dem Oktoberfest – wie im Vorjahr – mit etwa 600 Beamtinnen und Beamten im Einsatz. Alle sind freiwillig dabei. Die Wiesnwache ist für zwei Wochen die größte Polizeiwache Bayerns. Innerhalb des Festgeländes werden die Polizisten darauf achten, dass niemand Cannabis konsumiert. Sollte sich herausstellen, dass sich eine Vielzahl von Besuchern nicht an das geltende Gesetz halten, will die Polizei auch den Einsatz von Drogenspürhunden nicht grundsätzlich ausschließen. Vierbeinige Sprengstoff-Schnüffler sind auf dem Oktoberfest schon seit Jahren im Einsatz. Außerhalb des Festgeländes ist ausschließlich eine Ahndung nach dem „Gesetz zum Umgang mit Konsumcannabis“ möglich – also etwa, wenn jemand in Sichtweite von Kinderspielplätzen oder Schulen kifft.
Wer Cannabis – in den vom Gesetzgeber erlaubten Mengen natürlich – lediglich in der Tasche hat und aufs Oktoberfest will, macht sich nach Polizeiangaben nicht strafbar. „Gefahren abwehrend kann es aber sichergestellt werden“, so Christian Drexler. „Dies wäre der Fall, wenn man angibt, dass man es auf dem Volksfest konsumieren will und die Gefahr besteht, dass das auch gemacht wird.“
Solange man sich an die Grenze von 25 Gramm Marihuana halte, dürfe dies „mitgeführt“ werden. „Allerdings würden wir hier von einer umgerechneten Menge von zirka 70 Joints sprechen“, rechnet Polizeisprecher Christian Drexler vor. Das dürfte also die Ausnahme sein.