"Nein heißt Nein, das gilt auch für die Wiesn." Was im ersten Moment logisch klingt, ist in der Praxis keine Selbstverständlichkeit. "Für viele" sei die Wiesn noch immer ein moralfreier Raum, sagt Kristina Gottlöber von der Fraueninitiative Imma. Dabei sollte das Volksfest für die Besucher eigentlich ein Grund zum Feiern sein, doch in jedem Jahr werden Frauen und Mädchen während der Wiesn Opfer von sexueller Belästigung und Gewalt. Bereits zum 16. Mal ist deswegen in diesem Jahr die "Sichere Wiesn für Mädchen und Frauen" vor Ort - ein Bündnis der Fraueninitiativen Imma, Amyna und dem Frauennotruf München.
Im Servicezentrum hinter dem Schottenhamel, wo sich auch Polizei und Erste Hilfe befinden, richten die Organisatorinnen wieder einen sogenannten Security Point ein. Dort können sich Frauen melden, die sich unsicher oder bedroht fühlen, Hilfe suchen oder Gewalt erlebt haben - kostenlos und anonym. Der Security Point solle ihnen einen Schutzraum bieten und einen "der wenigen ruhigen Orte auf dem Gelände", sagt Theresa Schmeisz vom Frauennotruf München. Ob eine Frau ihre Freunde verloren hat, nicht mehr ins Hotel findet, belästigt wurde oder psychologische Betreuung braucht, die Ehrenamtlichen helfen, "egal, welche Problemlage". Bei Bedarf bestellen ihnen die Organisatorinnen eben ein Taxi oder begleitet sie zu ihrer Unterkunft oder zur Polizei.
Leserdiskussion:Was hilft gegen sexuelle Belästigung und Gewalt im öffentlichen Raum?
Nachdem eine Frau in Paris von einem Mann auf offener Straße belästigt und geschlagen wird und sich ein Video davon im Netz verbreitet, diskutiert Frankreich über Konsequenzen. Staatssekretärin Schiappa kündigt ein Gesetz an, das vorsieht, sexuelle Belästigung direkt mit Bußgeldern zu belegen.
Doch die "Sichere Wiesn für Mädchen und Frauen" beginnt nicht erst mit Anstich und endet nicht mit der letzten Mass. Bereits im Vorfeld wollen die Organisatorinnen mit einer großen Kampagne die Besucher für das Problem sexualisierter Gewalt sensibilisieren. Neu ist in diesem Jahr eine Postkartenkampagne: Mit drei Motiven will man dem "Victim Blaming" entgegenwirken. Die sogenannte Täter-Opfer-Umkehr ist auf einem Fest wie der Wiesn ein Problem. Frauen seien demnach selbst schuld, wenn sie belästigt oder gar vergewaltigt würden. Sie hätten sich nicht betrinken, sich nicht so aufreizend anziehen, sie hätten nicht flirten müssen. Auf einer Karte steht zum Beispiel: "Was hods denn erwartet, wenns so vui trinkt!" - "A fetzn Rausch. Sonst nix!"
2017 suchten täglich rund 14 Besucherinnen Hilfe
Die Opfer von sexualisierter Gewalt sind nie schuld - das wollen die Organisatorinnen unbedingt klarstellen. "Jede Frau sollte sich so anziehen dürfen, wie sie möchte", sagt Schmeisz. Im besten Falle, träumt sie, könne eine Frau sogar nackt und betrunken über die Wiesn torkeln, ohne, dass sie von Männern belästigt würde. Neu ist zudem, dass das Bündnis von 10. September an vier Wochen lang Anzeigen im Fahrgastfernsehen der Münchner U-Bahnen senden wird. Rund drei Viertel der Frauen, die sich an den Security Point wenden, stammen nämlich nicht aus München, sondern aus anderen Städten oder gar dem Ausland. Mit den Anzeigen will das Bündnis besonders sie über ihr Angebot informieren.
Dazu gehört nach wie vor die Smartphone-App "Wiesn Protect", die Besucherinnen mit wichtigen Telefonnummern und einer Karte der Theresienwiese ausstattet. Der Security Point wird während der Wiesn täglich von 18 bis 1 Uhr geöffnet sein, samstags schon von 15 Uhr an. 2017 suchten täglich rund 14 Besucherinnen Hilfe, am Wochenende teilweise mehr als 30. Am Ende waren es 257 Frauen - deutlich mehr als in den Vorjahren. Die Organisatorinnen glauben, dass das daran liegt, dass ihr Angebot immer bekannter würde. Auch wenn die Zahl erschreckend hoch klingt: Nur wenige der Frauen wurden Opfer von Gewalt. Die meisten hatten im Trubel ihre Freunde verloren oder den Namen ihres Hotels vergessen.