Vor eineinhalb Jahren hat die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe einen alten, ungeklärten Fall wieder aufgenommen: Deutschlands höchste Anklagebehörde will nach 35 Jahren doch noch die Hintergründe des Oktoberfestattentats auf der Theresienwiese in München am 29. September 1980 aufklären.
Ein kniffliger Fall, in dem seinerzeit die Ermittler nicht weiterkamen, obwohl viele von ihnen sicher waren: Der Attentäter, der 13 Menschen getötet und mehr als 200 schwer verletzt hatte, konnte nicht der Student Gundolf Köhler allein gewesen sein, es musste Hintermänner gegeben haben.
Doch alle Spuren verliefen im Nebel. Und die Geheimdienste, so glaubten damals viele Ermittler, taten nichts, um diesen Nebel zu lichten. Die Nebel halten sich auch 35 Jahre später noch sehr zäh. Schon vor einem Jahr, am 17. Februar 2015, hatte die Bundesanwaltschaft den Verfassungsschutz und den Bundesnachrichtendienst gebeten, noch einmal ihre Akten über das Oktoberfest und die rechte Szene durchzuforsten. Doch sie warten immer noch. Der BND hat geliefert, der Verfassungsschutz, der viel mehr Akten hat, nicht.
Die Karlsruher Staatsanwälte hatten eine lange Liste an Suchbegriffen verschickt - von Karlheinz Hoffmann, dem Anführer der paramilitärischen Wehrsportgruppe Hoffmann, mit der Gundolf Köhler trainierte, bis hin zum Neonazi Heinz Lembke, der im Verdacht stand, den Sprengstoff für das Attentat geliefert zu haben. Lembke erhängte sich in seiner Zelle, kurz bevor er vor einem Staatsanwalt aussagen sollte. In seinen Akten steht der Sperrvermerk "Nur zum Teil gerichtsverwertbar", was auf eine V-Mann-Tätigkeit schließen lässt.
Gerade weil es einige Hinweise auf V-Leute unter den Kontaktleuten des Attentäters Gundolf Köhler gibt, sind die Akten der Dienste so interessant. Die Hoffnung der Ermittler: Dass sich irgendwo ein Hinweis findet, der doch noch zu Erkenntnissen führen könnte. Die Freigabe von Klarnamen hat die Bundesregierung bereits abgelehnt - weil angeblich immer noch Leib und Leben der früheren V-Leute bedroht sein könnten.
Während des Wartens auf die Geheimdienstakten hörte die Polizei noch einmal Verletzte, Zeugen und Polizisten, die am Tatort Dienst taten. Sie holten aus der ganzen Republik Asservate zusammen, die von den Ermittlern damals für unwichtig erachtet wurden. Verletzte, denen noch die Splitter der Bombe im Leib stecken, boten an, sie sich herausoperieren zu lassen, wenn es nur der Wahrheitsfindung diene.
Doch so leidenschaftlich die Opfer sich nach Aufklärung sehnen, bei den Geheimdiensten ist die Leidenschaft offenbar gedämpft. Erst nach vielen Monaten lieferte der BND Informationen nach Karlsruhe, die Namen von V-Leuten natürlich geschwärzt. Das Bundesamt für Verfassungsschutz aber hat es auch nach einem Jahr noch nicht geschafft, seinen Bestand zu liefern.
Das geht aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linken-Abgeordneten Martina Renner hervor. Sie dringt darauf, dass die Nachrichtendienste die Akten zu dem Attentat endlich für die Strafverfolgung freigeben, und versteht die Verzögerung nicht. "Allein 2016 hat das Bundesamt für Verfassungsschutz 250 neue Stellen bewilligt bekommen", sagt sie.
"Offenbar führt dies nicht dazu, dass die Unterstützung der Bundesanwaltschaft und damit die Aufklärung rechtsterroristischer Anschläge vorangeht. Das Bundesamt scheint an der Aufklärung des schwersten terroristischen Anschlags in der Geschichte der Bundesrepublik kein großes Interesse zu haben." Immerhin erklärte die Bundesregierung nun, die Antwort stehe kurz vor dem Abschluss.
Die Staatsanwälte in Karlsruhe aber haben nichts bekommen. Sie warten nun seit 15 Monaten. Beim Verfassungsschutz heißt es dazu, es handele sich eben auch um "eine sehr umfangreiche Erkenntnisanfrage". Was so lange dauert, war nicht zu erfahren.