Oktoberfest-Attentat:Neue brisante Spur aufgetaucht

Gedenken an Wiesn-Attentat

Am 26. September 1980 war um 22.19 Uhr am Haupteingang des Oktoberfestes die Bombe explodiert. 13 Menschen kamen dabei ums Leben.

(Foto: Sven Hoppe/dpa)

Das Oktoberfest-Attentat gilt als der schlimmste Terroranschlag in der Geschichte der Bundesrepublik. Nun wurde bekannt: Nur einen Tag nach dem Anschlag fand eine Zeugin Hinweise, die auf Hintermänner hindeuten. Doch die Polizei interessierte sich nicht dafür.

Von Christian Rost und Frank Müller

34 Jahre nach dem Oktoberfestattentat von 1980 hat sich beim Anwalt Werner Dietrich, der sechs der Opfer von damals vertritt, eine neue Zeugin gemeldet. Ihre Aussage erschüttert die These vom Einzeltäter schwer, an der die Ermittlungsbehörden seit drei Jahrzehnten hartnäckig festhalten. Dietrich präsentiert die Angaben der Frau in seinem Antrag auf Wiederaufnahme der Ermittlungen, den er beim Generalbundesanwalt eingereicht hat.

Die Zeugin, eine Theologin aus München, meldete sich bei Dietrich nach der jüngsten Berichterstattung der SZ über seine Bemühungen um Wiederaufnahme des Verfahrens und gab Unglaubliches zu Protokoll. Danach hat sie nur einen Tag nach dem Attentat im Schrank eines Neonazis Waffen und gedruckte Nachrufe auf den Bombenleger Gundolf Köhler entdeckt. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Polizei Köhlers Namen noch gar nicht bekannt gegeben.

Am 26. September 1980 war um 22.19 Uhr am Haupteingang des Oktoberfestes die Bombe explodiert, die 13 Menschen tötete und 200 verletzte. Unter den Opfern war auch der Bombenleger Gundolf Köhler. Die Polizei wusste erst am nächsten Vormittag gegen 9.30 Uhr, um wen es sich handelte, und gab den Namen vorerst nicht bekannt.

Dennoch fand die Theologin, die damals als Studentin Sprachkurse in der Unterkunft für Aussiedler an der Ecke Petuelring/Osterwaldstraße gab, am 27. September um die Mittagszeit brisantes Material: Während einer ihrer Schüler - Andreas W., ein bekennender Rechtsextremer - Tee gekocht habe, wollte sie ihre Jacke in einen Garderobenschrank in seinem Zimmer hängen und habe versehentlich die falsche Tür geöffnet.

Angst vor Andreas W.

In einem Fach hätten Flugblätter und zwei Pistolen gelegen, sagte die Zeugin aus: "Die Flugblätter, ein ganzer Stapel im DIN-A5-Format und von etwa 20 cm Höhe, enthielten einen lobenden Nachruf auf Gundolf Köhler. Die Rede war von einem ,ehrenwerten Heldentod', ,Oktoberfest', mit einer anschließenden ,Würdigung'." Wie konnte jemand einen Attentäter, der als Einzeltäter gehandelt haben soll, zu diesem frühen Zeitpunkt derart feiern? Handelte sich bei dem Anschlag doch um das Werk einer Gruppe Neonazis, was die Behörden stets ausgeschlossen hatten?

Die Zeugin erschrak nach dem Fund und erzählte Andreas W. nichts davon, weil sie Angst vor ihm hatte. Auf dem Heimweg entschloss sie sich aber dazu, bei der Polizei auszusagen. Im Präsidium an der Ettstraße wurde sie ihrer Schilderung zufolge von einem Polizisten abgewimmelt: "Soso, Sie wollen nun auch etwas zum Attentat sagen", habe sie der belustigte Beamte begrüßt, so die Zeugin. Und nachdem sie ausgesagt hatte, von Andreas W. weder bedroht noch misshandelt worden zu sein, habe sie der Beamte weggeschickt.

Zeugin wurde sechs Wochen lang beschattet

W. verschwand am nächsten Tag aus München. Er habe sie noch informiert, dass er nach Argentinien wolle, "zu Freunden", so erinnert sich die Zeugin, die sich wunderte, wie ein Aussiedler ohne Pass und Geld nach Südamerika kommen wollte. Bis 2005 sah die Theologin den Mann, der heute Mitte 60 sein dürfte, nicht mehr.

Dann traf sie ihn in München zufällig auf der Straße wieder. Er arbeite nun in einer großen Buchhandlung und als freier Fotograf, habe er ihr erzählt. Auf die Ereignisse von 1980 sprach sie ihn nicht an. 2008 kam es laut ihrer Aussage erneut zu einer kurzen Begegnung mit W., der dabei einen heruntergekommenen Eindruck gemacht habe.

"Mehrere Männer" in Köhlers Umgebung

Die Polizei hatte sich offensichtlich nie für Andreas W. interessiert. Die Zeugin selbst ist nach ihrer Aussage im Polizeipräsidium aber sechs Wochen lang beschattet worden: Ein Auto habe sie verfolgt, sie habe Telefonanrufe von Unbekannten bekommen, die bedrohlich über ihre Familie schwadroniert hätten. Die damalige Studentin wandte sich deshalb Hilfe suchend an ihren Münchner Professor, der ihr riet, sie solle die Verfolger im Auto einfach zur Rede stellen. Danach wurde die Frau nicht mehr behelligt.

Anwalt Dietrich sieht in den Angaben der Theologin den eindeutigen Beleg, dass Gundolf Köhler nicht alleine gehandelt haben konnte und zumindest Mitwisser hatte. Das untermauert die Aussage eines weiteren Zeugen, den Dietrich in seinem Wiederaufnahmeantrag anführt: Der IT-Fachmann Ramin A. war 1980 Zeuge der Explosion auf der Theresienwiese und hatte zuvor "mehrere Männer" in Köhlers Umgebung gesehen, die nicht wie Wiesnbesucher ausgesehen hätten.

Verbindungen zur "Wehrsportgruppe Hoffmann"

Auch für diese Beobachtung, so Ramin A., habe sich die Polizei ausdrücklich nicht interessiert. Dietrich, der in Akten des Landeskriminalamts eindeutige Hinweise auf Verbindungen Köhlers zur rechtsradikalen "Wehrsportgruppe Hoffmann" gefunden hat, geht davon aus, dass der Generalbundesanwalt die Zeugen in Kürze vernehmen wird.

Die Landtags-SPD hat bereits angedeutet, dass es zu einer Weisung von Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) an den Generalbundesanwalt kommen könnte, die Ermittlungen wieder aufzunehmen. Von dessen Staatssekretär Ulrich Kelber habe er bei einer Fraktionsklausur in Berlin entsprechende positive Signale erhalten, sagte Fraktionschef Markus Rinderspacher. Dies sei auch geboten, denn das Wiesnattentat sei "der schlimmste Terroranschlag in der Geschichte der Bundesrepublik", sagte Rinderspacher.

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