"Ich war damals in meiner Wohnung und habe Akten für meine noch junge Anwaltskanzlei bearbeitet. Nebenher lief der Fernseher, und da kam die Nachricht vom Attentat. Der erste Gedanke war: Das hätte ja nicht nur an dieser Stelle passieren können, sondern in jedem Bierzelt mit noch schlimmeren Folgen. Wenn ein Täter zu so einem Anschlag bereit ist, dann sind auch in Fußballstadien, U-Bahn-Stationen oder im Stachus-Untergeschoss unvorstellbare Blutbäder möglich. Es war ein Albtraum.
Das zweite Gefühl war ein namenloser Zorn auf Franz Josef Strauß, der das Attentat noch in den Abendnachrichten mit eiskaltem Zynismus für seinen Wahlkampf missbraucht hat, indem er sinngemäß sagte: Das waren Gerhart Baums Terroristen. Er wollte damit den linksliberalen Innenminister Baum zum Verantwortlichen stempeln - und das ohne irgendeine Kenntnis über den Hintergrund. Angesichts eines Blutbads und vieler Toter und verletzter Opfer sofort Wahlkampf zu machen, hat mich über die Maßen empört. Und dann blieb es natürlich ein monatelanges Thema, wieso trotz der rechtsextremen Vergangenheit des Täters, die ja sehr schnell bekannt wurde, in diese Richtung überhaupt nicht erkennbar ermittelt wurde. Stattdessen hat man gebetsmühlenartig gesagt, es war ein Einzeltäter.
Mein Misstrauen, die Ermittlungsbehörden könnten auf dem rechten Auge blind gewesen sein, hat dann viele Jahre später plötzlichen Auftrieb bekommen durch das totale Staatsversagen bei der Aufklärung der NSU-Morde, wo ja auch eine Blindheit über die Grenzen verschiedener Bundesländer hinweg festzustellen war."