Oktoberfest-Attentat 1980:Münchens Schande

Gedenken an Wiesn-Attentat

Nie ganz geklärtes Attentat: Die Gedenkstätte an der Münchner Theresienwiese.

(Foto: Sven Hoppe/dpa)

So sehr sich die Ermittler auch mühten, die Fehler des Anfangs konnten sie nicht mehr ausgleichen. Trotzdem war es wichtig, dass das Oktoberfest-Attentat noch einmal untersucht wurde.

Kommentar von Annette Ramelsberger

Viereinhalb Jahre gesucht, mehr als 1000 Zeugen befragt, 420 000 Geheimdienstakten gesichtet. Und jetzt? Keine heiße Spur. Die Bundesanwaltschaft hat bei ihren aufwendigen Ermittlungen nach den Hintermännern des Oktoberfest-Attentats von 1980 so ziemlich alles versucht, was möglich war. Aber es war eben nicht mehr viel möglich, fast 40 Jahre nach dem Anschlag in München. Natürlich ist das enttäuschend.

Als die Bundesanwaltschaft diesen längst abgeschlossenen Fall 2014 wiederaufnahm, machten sich viele große Hoffnungen. Vor allem die Opfer, die noch heute unter ihren Verletzungen leiden, hätten sich späte Gerechtigkeit gewünscht. Denn es ist mit Händen zu greifen, dass der Attentäter Gundolf Köhler, ein damals 21 Jahre alter Rechtsextremist, nicht allein gewesen sein kann.

Köhler hatte mit der rechten Wehrsportgruppe Hoffmann trainiert, er hatte Waffen gesammelt und mit Freunden über Umsturzpläne gesprochen. Doch eine Beteiligung der Wehrsportgruppe ließ sich nicht belegen - diejenigen, die mehr wissen, sind tot oder halten dicht. Auch jetzt noch, nach 39 Jahren. Und die anderen Spuren, zum Beispiel 48 Zigarettenkippen aus Köhlers Auto, wurden schon 1997 vernichtet - aus Platzmangel. Dabei hätte es zu dieser Zeit bereits die Möglichkeit gegeben, mit einer DNA-Analyse die Begleiter Köhlers zu finden. Aber die neuen Methoden interessierten nicht, das Attentat war abgehakt, die Opfer vergessen, auch in der Stadt des Anschlags selbst. Die Gefahr von Rechtsextremisten wurde flächendeckend verharmlost.

Auch wenn das Ergebnis enttäuscht - es war wichtig, die Ermittlungen zu führen

So sehr sich die Ermittler in den vergangenen vier Jahren auch mühten, die Fehler des Anfangs konnten sie nicht mehr ausgleichen. Schon am Morgen nach dem Attentat wurde der Tatort asphaltiert, pünktlich um 11 Uhr musste das Oktoberfest weitergehen. In aller Eile packte man zerfetzte Kleider, Koffer, Taschen ein und nahm in Kauf, dass viele Spuren zerstört wurden - nur, damit das Bier und das Geld weiter flossen. Was am Tag nach dem Attentat geschah, ist noch immer eine Schande.

Doch so deprimierend das Ergebnis der Ermittlungen ist, so nötig war diese späte Suche. Denn über Jahre war das Misstrauen in die Sicherheitsbehörden gewachsen, bis heute sind viele der Meinung, die Hintergründe des Attentats seien bewusst vertuscht worden. Als dann 2011 auch noch herauskam, dass Polizei und Verfassungsschutz 13 Jahre lang nicht erkannt hatten, dass die rechtsradikale Mörderbande NSU zehn Menschen ermordet hatte, sank das Vertrauen in die Sicherheitsbehörden Richtung null. Deswegen war es für die Bundesanwaltschaft auch ein Akt der Selbstvergewisserung, den Fall Oktoberfest noch einmal anzugehen. Man wollte sicher sein, dass nicht noch irgendwo in einer Akte ein Hinweis schlummerte. Und man wollte Vertrauen zurückgewinnen.

Dass Polizei und Justiz funktionieren, ist ein Grundpfeiler der Demokratie. Wenn das Vertrauen in sie schwindet, ist das gefährlich. Auch deswegen war es so wichtig, dass die Ermittlungen so intensiv, so akribisch geführt wurden. Doch wenn es keinen klaren Verdächtigen gibt, dann muss die Bundesanwaltschaft nach geltender Rechtslage das Verfahren einstellen. Das ist bitter. Neue Erkenntnisse kann es nach jetzigem Stand nur dann geben, wenn einen Beteiligten auf dem Sterbebett noch späte Reue überkommt.

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