Das Attentat, das München erschütterte, geschah um 22.20 Uhr an einem lauen Freitagabend im September 1980. Damals wurden 13 Menschen getötet, mehr als 200 verletzt, viele schwer.
Abgetrennte Beine, Arme, Hände lagen am Eingang des Oktoberfests, Blutlachen bedeckten den Boden, wimmernde Menschen kauerten neben Toten. Splitter des Abfalleimers, in dem die Bombe gesteckt hatte, lagen weit verstreut.
Doch keine zwölf Stunden später war am Ort des Attentats nichts mehr zu sehen. Selbst die Löcher, die die Bombe in den Boden gerissen hatte, waren frisch geteert. Das Oktoberfest musste weitergehen. In einer Art "Wisch-und-weg"-Mentalität hatte die Stadt den Tatort gesäubert und den Bierseligen freie Bahn gegeben für den nächsten Wiesntag. Obwohl damals nichts geklärt war.
Auch heute, 29 Jahre nach dem Oktoberfest-Anschlag, ist nicht alles geklärt. Noch immer gibt es erhebliche Zweifel, ob es sich bei dem Attentäter Gundolf Köhler wirklich um einen fanatischen Einzeltäter handelte und nicht doch um einen Mann der rechtsradikalen Szene, der im Auftrag und mit Hilfe von Mittätern agierte. Doch das schnelle Aufräumen scheint im Fall des Oktoberfest-Attentats Methode zu haben - bis zum heutigen Tag.
Die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe hat die Asservate von damals schon vor Jahren vernichtet - darunter auch die Splitter der Bombe und Teile einer Hand, die keinem der Opfer zugeordnet werden konnte und die deshalb als Hinweis auf einen zweiten Täter galt.
Die Bundesanwaltschaft bestätigte der Süddeutschen Zeitung, dass keine Spuren des Attentats mehr vorhanden sind. "Die Asservate wurden Ende des Jahres 1997 vernichtet, weil der Fall als aufgeklärt gilt und sämtliche Ermittlungen nach eventuellen Mittätern ergebnislos verlaufen sind", sagte Sprecher Frank Wallenta.
Es gebe keinen Zweifel am damaligen Ermittlungsstand, wonach es sich bei dem Attentäter Gundolf Köhler um einen Einzeltäter gehandelt hat. "Der heutige Erkenntnisstand bietet keinen Anlass, die Ermittlungen wieder aufzunehmen", sagte Wallenta.
Eine Wiederaufnahme der Ermittlungen hat der Anwalt mehrerer Opfer gefordert, die damals zwei Kinder verloren hatten und selbst schwer verletzt worden waren. Sie wollen, dass die Spuren von damals mit den neuen DNS-Methoden untersucht werden. "Für die Angehörigen ist es eine offene Wunde, dass sie nicht wissen, was damals wirklich passiert ist", sagt Anwalt Werner Dietrich.
Doch wo es keine Spuren mehr gibt, kann auch nichts mehr verglichen werden. "Das erschwert die Aufklärung des Falls massiv", sagt Dietrich. "Bei einem Verfahren wie diesem" sei die Vernichtung der Asservate "durchaus ungewöhnlich".
Oft werden besondere Beweisstücke in der Münchner Rechtsmedizin aufbewahrt, auch alte Spuren aus den achtziger Jahren. Doch auch dort ist nichts mehr zu finden. "Wir sehen hin und wieder die alten Sachen durch", sagt Präparator Michael Wieczorek, "so was ist aber nicht dabei."
Für die Ermittler ist die Vernichtung der Beweisstücke nicht ungewöhnlich, sondern geboten. "Es gibt keine ewigen Aufbewahrungsfristen", heißt es beim bayerischen Landeskriminalamt, das damals im Auftrag der Bundesanwaltschaft ermittelte. Wenn ein Verfahren rechtskräftig abgeschlossen sei, würden auch die Akten ausgesondert und die Asservate vernichtet. "Nur in unaufgeklärten Fällen werden die Spuren aufbewahrt", heißt es beim LKA. Für unaufgeklärt aber hat die Bundesanwaltschaft das Attentat schon 1982 nicht mehr gehalten.
Sie hatte zwar monatelang gegen den Chef und mehrere Mitglieder der rechtsradikalen Wehrsportgruppe Hoffmann ermittelt, mit denen der Oktoberfest-Attentäter sympathisiert hatte. Doch eine Tatbeteiligung war den Verdächtigen nicht nachzuweisen, obwohl eine ganze Reihe von Zeugen ausgesagt hatten, dass sie den angeblichen Einzeltäter unmittelbar vor der Tat im Gespräch mit kurzhaarigen Männern in Bundeswehrparkas gesehen hatten.
Obwohl eines der Mitglieder der Wehrsportgruppe sich selbst bezichtigt hatte, beim Attentat dabei gewesen zu sein, kurz bevor es sich das Leben nahm. Und obwohl ein anderes Mitglied dieser Gruppe sich in einer Bar gebrüstet hatte, es sei bei der "Aktion von München" dabei gewesen.
Die Wehrsportgruppe Hoffmann war nach ihrem Verbot in Deutschland in den Libanon gegangen. Dort folterten Gesinnungsgenossen eines der Mitglieder zu Tode. Der Chef der Truppe, der heute 71 Jahre alte Karl-Heinz Hoffmann aus der Nähe von Nürnberg, wurde auch wegen dieser Ereignisse 1986 zu neuneinhalb Jahren Haft wegen Freiheitsberaubung und Verstoßes gegen das Sprengstoffgesetz verurteilt. Er lebt heute zurückgezogen in Bayern.
Die Behörden verzeichnen keine besonderen Vorkommnisse. Nur die Staatssicherheit der DDR hatte alles akribisch gesammelt. Unter anderem auch Aussagen von zwei Staatssekretären im Bundesinnenministerium, wonach das Attentat "von rechts-extremistischen Kreisen inszeniert worden ist".