Oktoberfest-Attentat 1980:Dreizehn ungesühnte Morde

Oktoberfest-Attentat 1980

Die Nacht des Oktoberfest-Attentats vor 34 Jahren: 13 Menschen wurden am 26. September 1980 bei dem Bombenanschlag getötet

(Foto: Frank Leonhardt/dpa)

Neue Spuren, neue Indizien, neue Akten - und eine Bundesanwaltschaft, die sich Augen und Ohren zuhält. Denn angesichts der neuen Erkenntnisse ist es völlig unverständlich, warum sie im Fall des Oktoberfest-Attentates nicht noch einmal ermittelt.

Ein Kommentar von Heribert Prantl

Ein Strafverfahren ist kein zeitgeschichtliches Forschungsprojekt. Man kann also heute nicht ein Ermittlungsverfahren neu einleiten oder ein altes wieder aufnehmen, um festzustellen, was es mit Kaspar Hauser auf sich hatte oder wer König Ludwig II. ermordet hat - und zwar auch dann nicht, wenn es darüber neue Erkenntnisse gibt. Wenn es allein darum geht, die historische Wahrheit herauszufinden, wenn es also keinerlei Chancen mehr gibt, noch lebende Straftäter zu finden, ihre Schuld festzustellen und sie zu verurteilen - dann ist Strafrecht, dann sind Staatsanwälte fehl am Platz.

Der Fall des Oktoberfest-Attentats liegt aber völlig anders. Der Bombenanschlag ist nicht 134, sondern 34 Jahre her. Das ist eine lange Zeit, aber keine Zeit, nach der ein Strafverfahren per se sinnlos wäre; das weiß man von den Verfahren gegen ehemalige KZ-Schergen; deren Taten liegen über 70 Jahre zurück. Beim Oktoberfest-Attentat geht es um Mord; Mord verjährt nicht. 13 Menschen wurden am 26. September 1980 bei einem Anschlag auf dem Münchner Oktoberfest getötet, 211 wurden zum Teil schwer verletzt.

Ein Strafurteil in dieser Sache gibt es nicht: keinen Freispruch, keine Verurteilung, keine Rechtskraft, nichts. Das Ermittlungsverfahren wurde damals eingestellt, weil es sich, so die Abschlussverfügung, um einen Einzeltäter gehandelt habe. Der angebliche Einzeltäter, Gundolf Köhler, war beim Attentat ums Leben gekommen. Es gibt immer mehr Anhaltspunkte dafür, dass die Abschlussverfügung falsch war.

Es ist völlig unverständlich, warum nicht neu ermittelt wird

Es ist völlig unverständlich, warum sich die Bundesanwaltschaft nun seit 30 Jahren spreizt und windet, es ablehnt, die Ermittlungen noch einmal aufzunehmen. Es ist unverständlich, warum sie den Zweifeln nicht nachgeht. Es gilt hier nicht, wie im Fall Mollath, die Rechtskraft eines Verfahrens zu durchbrechen; das wäre nur möglich, wenn besondere Voraussetzungen vorliegen. Beim Oktoberfest-Attentat gibt es keine Rechtskraft; es gibt nur die womöglich falsche, über 30 Jahre alte Feststellung, dass der beim Anschlag getötete Täter ohne Mittäter und Gehilfen gehandelt habe. Dagegen sprechen mittlerweile so viele Spuren, Zeugen und seinerzeit nicht ausgewertete Akten, dass neue Ermittlungen geboten sind.

Die schreckliche Geschichte strotzt von Merkwürdigkeiten. Eine Bundesanwaltschaft, die sich gleichwohl Augen und Ohren zuhält, verhält sich selber merkwürdig. Die Opfer haben Anspruch auf Ermittlungen, solange noch Mittäter und Helfer gefunden werden können. Es mag sein, dass Mittäter und Helfer letztendlich nicht mehr greifbar sind. Aber das kann keine Begründung dafür sein, es gar nicht erst zu versuchen. Die Bundesanwaltschaft sagt, sie habe keinen Beweis für die Beteiligung mehrerer Personen gefunden. Zu diesem Zweck müsste sie erst einmal ermitteln. Die Einzeltäter-Theorie wurde bei braunen Anschlägen bis 2011 vertreten - bis die NSU-Mordserie offenkundig wurde; die Täter waren eingebettet in eine große Unterstützerszene. Die alte Einzeltäter-Theorie ist schon deswegen diskreditiert.

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