GedenkveranstaltungNeue Dokumente zum Oktoberfest-Attentat – und weiter viele Fragen

Lesezeit: 3 Min.

Zwölf Wiesn-Besucher und der Attentäter wurden 1980 bei dem Anschlag getötet.
Zwölf Wiesn-Besucher und der Attentäter wurden 1980 bei dem Anschlag getötet. (Foto: Frank Leonhardt/dpa)
  • Das Bundesarchiv veröffentlicht neue Dokumente zum Oktoberfestattentat von 1980, bei dem zwölf Menschen starben und das als schlimmster Terroranschlag der deutschen Nachkriegsgeschichte gilt.
  • Die Dokumente zeigen, wie die Ermittlungen vom Wahlkampf zwischen Franz Josef Strauß und Helmut Schmidt zerrieben wurden, obwohl die Ermittler schnell viel über den rechtsextremen Täter wussten.
  • Bei der Gedenkfeier am Freitag kommen nur 200 Menschen zusammen, während Redner vor der Verharmlosung rechter Gewalt warnen und mehr Bildungsarbeit fordern.
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Zwölf Menschen werden bei dem rechtsterroristischen Anschlag auf dem Oktoberfest ermordet – mögliche Hintermänner werden nie ermittelt. 45 Jahre danach, kurz vor der Gedenkfeier in München, veröffentlichte das Bundesarchiv neue Dokumente.

Von Martin Bernstein

Es war der schlimmste Terroranschlag in der Geschichte des Landes. Verübt vor 45 Jahren von Rechtsextremisten. Die Ermittlungen dauerten viele Jahre. Am Ende wurden die Verantwortlichen und ihre Hintermänner verurteilt. Der Jahrestag des Anschlags wurde zum offiziellen Gedenktag, an dem Tausende auf die Straße gehen, um zu erinnern. Die Stadt, in der solches geschah und geschieht, heißt Bologna. Sie könnte auch München heißen.

Doch zur Gedenkfeier für die Opfer des rechten Terroranschlags vom 26. September 1980 kommen am Freitagmorgen kaum mehr als 200 Menschen. Unter ihnen Überlebende des Bombenanschlags und Angehörige der zwölf Ermordeten, ebenso die gesamte Stadtspitze, zahlreiche Vertreter von Gewerkschaften, Parteien und zivilgesellschaftlichen Organisationen sowie Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU). Nicht dabei sind der bayerische Ministerpräsident oder Vertreter der Bundesregierung, obwohl es sich um den Jahrestag des schlimmsten Terroranschlags in der deutschen Nachkriegsgeschichte handelte.

Trotz immer wieder eingestellter und dann doch neu aufgenommener Ermittlungen gilt der Bombenleger, ein Neonazi mit Verbindungen in eine kurz zuvor verbotene „Wehrsportgruppe“, bis heute als Einzeltäter. Magdalena Wessely, Rednerin der veranstaltenden DGB-Jugend bei der Münchner Gedenkfeier, warnt am Freitag davor, rechte Taten kleinzureden oder zu verharmlosen: „Die Rechtsextremisten sind keine Einzeltäter, sie sind vernetzt, national und international.“ Das könne man aus der rechten Terrorserie des Jahres 1980 lernen.

In jenem Jahr ermordeten Neonazis 85 Menschen in Bologna, zwei in Hamburg, zwölf in München, zwei in Erlangen und zwei an der Grenze zur Schweiz. Vier Jahre später legen Rechtsextremisten der „Gruppe Ludwig“ Feuer in einer Münchner Diskothek. Eine Frau stirbt. Zwischen den Tätern und den Organisatoren des Bombenanschlags von Bologna gibt es ebenso personelle Querverbindungen wie zwischen dem Bombenleger vom Oktoberfest und dem Nazi, der wenige Wochen später in Erlangen einen Rabbiner und dessen Lebensgefährtin ermordete.

Doch rechter Terror passte nicht in ein gesellschaftlich-politisches Klima, das vom RAF-Linksterrorismus der 70er-Jahre geprägt war. Dokumente, die das Bundesarchiv aktuell veröffentlicht hat, zeigen, wie die Ermittlungen nach dem Oktoberfestattentat buchstäblich vom Wahlkampf zwischen Franz Josef Strauß (CSU) als Herausforderer und Bundeskanzler Helmut Schmidt (SPD) zerrieben wurden.

Der Münchner Bombenleger wollte mit seiner Tat einen Rechtsruck erzeugen und erreichen, dass Deutschland 35 Jahre nach dem Ende der Nazidiktatur wieder ein „Führerstaat“ werden sollte. Die Ermittler – auch das illustrieren die Dokumente eindrucksvoll – wussten sehr schnell sehr viel über die Person und den ideologischen Hintergrund des Täters sowie über dessen Kontakte in rechte Netzwerke.

Eine Zitatensammlung, erstellt in Bonn nur fünf Tage nach dem Münchner Anschlag, dokumentiert, was Strauß und sein damaliger Innenminister Gerold Tandler in den Monaten vor dem Terrorakt über die „Wehrsportgruppe“ geäußert hatten. „Heute gibt es keine Gefahr mehr von rechts, weder zur Zeit noch in naher Zukunft.“ Das sagte Strauß im März 1980 in einem Fernsehinterview. Und dass man doch Menschen in Ruhe lassen solle, denen es „gefällt, sonntags mit Rucksack und im Kampfanzug mit Koppel durch die Gegend zu marschieren“.

„Eine Geschichte des langen Ringens um Wahrheit und Anerkennung“ sei das Schicksal der Opferfamilien, räumt Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter bei der Gedenkfeier am Freitag ein. Der SPD-Politiker lässt keinen Zweifel: „Rechtsextremismus ist keine Bedrohung von gestern, sondern die größte Gefahr für die Demokratie. Heute mehr denn je.“ Er erinnert an die rechten Terrorakte, die dem Oktoberfestanschlag folgten und die München zu der deutschen Stadt mit den meisten Opfern von Nazi-Terror nach 1945 machten.

Ebenso wie andere Redner betont Reiter die Bedeutung der Bildung bei der Prävention. „Nicht zu verstehen“ sei es für ihn, dass der Oktoberfestanschlag bis heute nicht in den bayerischen Lehrplänen verankert sei. Magdalena Wessely von der DGB-Jugend fügt hinzu: „Wer an Kinder- und Jugendarbeit spart, spart an der Wehrhaftigkeit der Demokratie.“

„Wir wollten kein Schweigen“, bekräftigt Sonia Zanotti, Überlebende des Attentats von Bologna. „Ich wünsche mir, dass man uns zuhört“, sagt auch Robert Höckmayr, ein bis heute an den Folgen des Münchner Anschlags leidender Überlebender. Mehr als 40 Mal wurde der 57-Jährige seither operiert. Er war an jenem Abend mit vier Geschwistern auf dem Oktoberfest, als direkt neben ihnen die Bombe explodierte. Zwei der Kinder waren sofort tot. Die beiden anderen nahmen sich später, durch die Ereignisse traumatisiert, das Leben.

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Oktoberfest 1980
:Das Attentat

13 Menschen sterben, als im September 1980 eine Bombe am Eingang des Oktoberfests explodiert. Die rechte Tat wurde verharmlost, Beweise weggeschmissen, Aussagen ignoriert. Nun erinnern sich Opfer, Ermittler und Zeugen noch einmal an die Nacht, die ihr Leben veränderte.

SZ PlusText: Annette Ramelsberger, Portraits: Stephan Rumpf

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