Firmen auf dem OktoberfestZwischen Dirndl und Deals

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Investoren und Gründer im Schottenhamel: Die Start-up-Messe Bits & Pretzels lädt jedes Jahr zum Weißwurstfrühstück und Networking auf die Wiesn ein.
Investoren und Gründer im Schottenhamel: Die Start-up-Messe Bits & Pretzels lädt jedes Jahr zum Weißwurstfrühstück und Networking auf die Wiesn ein. (Foto: Foto: Bits & Pretzels)
  • Für die deutsche Wirtschaft ist die Wiesn das größte inoffizielle Networking-Event des Jahres, wo Unternehmen Mitarbeiter belohnen und Geschäfte eingefädelt werden.
  • Firmen feiern heute diskreter als früher wegen strenger Compliance-Regeln, buchen kleinere Runden statt ganzer Zelte für Hunderte Mitarbeiter.
  • Auch internationale Konzerne wie Apple, Google und Microsoft nutzen das Oktoberfest für ihre Geschäfte.
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Für die deutsche Wirtschaft ist die Wiesn das größte inoffizielle Networking-Event des Jahres. Der Wert der Geschäfte, die am Biertisch angebahnt werden, dürfte enorm sein – auch Tech-Riesen wie Apple und Google feiern gerne mit.

Von Catherine Hoffmann

Die Wiesn ist ein Ort, an dem Geschäft und Gemütlichkeit mühelos zusammenkommen. Wer privat auf das größte Volksfest der Welt kommt, interessiert sich hauptsächlich für Bier, Hendl und Blasmusik. Doch für Unternehmen ist die Wiesn das heimliche Power-Tool der Beziehungspflege. Ob Bank, Handwerksbetrieb oder Weltkonzern – im Festzelt werden Mitarbeiter belohnt, Kontakte gepflegt und manchmal sogar Geschäfte eingefädelt. Dann verschwimmen die Grenzen zwischen Feierabend und Business, zwischen Brauchtum und Networking, und das Volksfest wird zum Verkaufsfest.

„Das Oktoberfest ist ein einzigartiges Erlebnis, das es so nirgendwo gibt“, sagt Christian Schottenhamel, Sprecher der Wiesnwirte. „Hier treffen sich alle: Jung und Alt, Reich und Arm – und eben auch Geschäftliches und Privates.“ Für Firmen ist es die perfekte Bühne, um Mitarbeitern Dankeschön zu sagen oder Kunden in entspannter Atmosphäre zu beeindrucken. Und das zu vergleichsweise moderaten Kosten: „Zwei Mass Bier, ein halbes Hendl, vielleicht ein Brotzeitbrettl – das ist günstiger als ein Abend im Sternerestaurant“, sagt Schottenhamel. „Und den Spaßfaktor gibt’s obendrauf.“

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Die Mass Bier tut ihr Übriges: Sie löst die Zunge, lockert Anspannungen und lässt die Distanz zwischen Menschen schneller schwinden als der Schaum im Glas zusammenfällt. Am nächsten Tag heißt es dann: „Hast du auch so einen Kater?“ Doch bald entstehen Legenden: „Weißt du noch, damals auf der Wiesn? Wahnsinn!“ Dabei hat sich der Umgang mit Alkohol im Geschäftsleben stark verändert. Wo früher mittags in der Kantine Bier floss und Firmenfeiern im Vollrausch endeten, gilt heute: Ein Glas Wein beim Lunch – und schon erntet man skeptische Blicke. Die Wiesn aber bleibt eine Ausnahme. Dort ist Bierkonsum noch immer Kult, selbst wenn die Chefin oder der Geschäftspartner mit am Tisch sitzen.

Für die deutsche Wirtschaft ist die Wiesn das größte inoffizielle Networking-Event des Jahres. Mittags trifft man sich bei Schweinsbraten und Radi, abends wird geschunkelt. Auf den Bierbänken saßen schon Allianz-Chef Oliver Bäte, Ex-Siemens-Boss Joe Kaeser und Linde-Stratege Wolfgang Reitzle. Aus Stuttgart und Wolfsburg reisten die Autobosse an, aus Frankfurt die Banker, aus der schwäbischen Provinz die Mittelständler. Und manchmal flogen Anwälte, Investoren oder Unternehmer sogar nur für einen Abend aus Singapur, Hongkong oder New York ein – zum „Prosit der Gemütlichkeit“.

Heute feiert man diskreter. In den Pressestellen großer Konzerne werden die Antworten knapp, wenn es um Wiesn-Einladungen geht. Der Grund: strenge Compliance-Regeln. Sie begrenzen den Wert von Geschenken, Einladungen und Zuwendungen – aus Angst vor dem Vorwurf der Korruption. Verschwunden sind die Firmenevents aber nicht: nur leiser, zurückhaltender, vorsichtiger sind sie geworden. Weniger Protz, mehr Understatement.

Früher buchten Konzerne fast das ganze Zelt für ihre Belegschaft, Hunderte Mitarbeiter waren eingeladen; heute sind es kleinere, intime Runden. „Die Standardreservierung liegt bei 20 bis 30 Personen“, sagt Schottenhamel. Überschaubar genug, um wirklich miteinander ins Gespräch zu kommen. Und wenn der Chef keinen offiziellen Wiesn-Ausflug spendiert, legen manche Abteilungen eben selbst das Geld zusammen.

Der Popstar und der Luxusmakler: US-Sängerin La Toya Jackson und Marcel Remus posieren vor der Bavaria auf der Wiesn.
Der Popstar und der Luxusmakler: US-Sängerin La Toya Jackson und Marcel Remus posieren vor der Bavaria auf der Wiesn. (Foto: Felix Hörhager/dpa)

Ein besonders populärer Ort für Firmen- und Prominentenfeiern ist die Käfer Wiesn-Schänke. Beides geht dort besonders geschmeidig Hand in Hand. Im vergangenen Jahr entdeckten etwa Reporter am Tisch von Mallorca-Makler Marcel Remus die amerikanische Sängerin La Toya Jackson, Schwester der verstorbenen Poplegende Michael Jackson. Käfer lebt von internationalen Gästen und Geschäftskunden; und deren Geschäfte leben ein Stück weit vom Spektakel der Wiesn, an dem sich alle berauschen. „Du, hast an Tisch für mi?“ – ist deshalb eine Frage, die Gastgeber Michael Käfer häufig hört. Doch da ist selten etwas zu machen, die Tische werden innerhalb der Familien und Firmen praktisch weitervererbt.

Viele Gäste bringen ihre Geschäftspartner gerne mit, denn die Atmosphäre ist außergewöhnlich entspannt und ungezwungen. „Die Menschen sind gut drauf – das beginnt schon mit der Tracht. Verrückterweise sieht darin wirklich jeder Mensch hübsch aus, ganz gleich, wie er aussieht“, sagt Käfer. Dazu komme die bayerische Gastfreundschaft, die in der Wiesn-Schänke mit viel Herz gepflegt werde. „Beim Firmen-Networking ist es oft nicht so einfach, die richtigen Themen zu finden. Auf der Wiesn ergeben sich die Gespräche von selbst“, sagt Käfer.

Die drei Bits & Pretzels-Macher (von links): Bernd Storm van's Gravesande, Andy Bruckschlögl und Felix Haas.
Die drei Bits & Pretzels-Macher (von links): Bernd Storm van's Gravesande, Andy Bruckschlögl und Felix Haas. (Foto: Foto: Bits & Pretzels)

Auch die Gründerkonferenz Bits & Pretzels hat das Oktoberfest für sich entdeckt. Was als Weißwurstfrühstück mit 70 Leuten im Hofbräuhaus begann, ist heute ein Branchentreffen mit 7500 Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus aller Welt. Drei Tage voller Start-up-Pitches und Investorensuche – Höhepunkt: der gemeinsame Wiesnbesuch, der unter dem Motto „liquid networking“ steht. Mit „liquid“ ist aber nicht zuerst das Bier gemeint, sondern ein lockerer, zwangloser Austausch.

„Das Oktoberfest schafft eine ganz besondere Atmosphäre, in der Hierarchien verschwinden“, sagt Mitorganisator Bernd Storm van’s Gravesande. „Da sitzt der Arzt neben dem Handwerker und beide reden miteinander. Das haben wir aufgegriffen.“ Wenn die Start-up-Unternehmer im Schottenhamel-Zelt zu Gast sind, gibt es an jedem Tisch einen sogenannten Table Captain – Top-Investor, Gründerstar, Konzernlenker. Und die Nachwuchsunternehmer wählen, mit wem sie eine Dreiviertelstunde lang reden wollen. Man tauscht Tipps, Kontakte, Finanzierungspläne aus.

Airbnb-Gründer Nathan Blecharczyk saß hier schon stundenlang mit der nächsten Generation von Unternehmern zusammen. „Die Leute lieben es. Gespräche sind ehrlicher, offener, spannender als in jedem Konferenzraum“, sagt Storm van’s Gravesande. „Hier entstehen Firmen, Partnerschaften, Finanzierungen, vielleicht sogar die nächste große Idee.“

Die moderne Variante von Laptop und Lederhosn: Apple-Chef Tim Cook mag Bayern und München, auf dem Oktoberfest wurden er schon öfter gesehen. 
Die moderne Variante von Laptop und Lederhosn: Apple-Chef Tim Cook mag Bayern und München, auf dem Oktoberfest wurden er schon öfter gesehen.  (Foto: Gisela Schober)

Die sorgsam gepflegte bayerische Folklore fasziniert auch internationale Firmen. Google, Microsoft, Samsung – sie alle feiern auf der Wiesn. Apple machte München sogar zum Premiumstandort. Dafür spielten auch weiche Standortfaktoren wie das Volksfest eine Rolle. Vor vier Jahren kündigte der Konzern an, eine Milliarde Euro zu investieren und die Stadt zu seinem europäischen Zentrum für Chipdesign zu machen. Apple-Chef Tim Cook schwärmte von Bayern, besuchte die Wiesn mehrfach und postete sogar ein Foto auf Twitter, das ihn gesellig mit einer Mass Bier in der Hand zeigt: „Prost from Oktoberfest! It’s great to be in Munich!“, so Cooks Text zum Schnappschuss.

Besonders exotisch wirkt das Spektakel auf chinesische Besucher. Ganze Delegationen treten in einheitlichen Lederhosen von Trachten Angermaier an, berichtet Schottenhamel, der solche Gruppen auch am Nockherberg begrüßt. Der Chef der Chinesen muss dann anzapfen, es gibt „Hau den Lukas“ im Biergarten und Herzerl zum Anstecken – das volle Klischee-Paket. „Aber genau das wollen sie“, sagt der Wirt, der von der Vermarktung dieses Klischees lebt.

Weil es so kostbar ist, achten die Gastronomen darauf, dass der Kommerz nicht überhandnimmt. „Wir wollen keine Firmenlogos an der Boxe hängen haben“, sagt Schottenhamel. Kleine Akzente sind aber erlaubt – etwa personalisierte Bierdeckel. Auch bei den Bedienungen hält der Wirt an der Tradition fest: schwarzer Rock, weiße Schürze, ein Häubchen auf dem Kopf, „damit man sie nicht aus Versehen für Gäste hält“.

So läuft das auf der Wiesn: weltgewandt, aber auch sehr nach Münchner Art; geschäftstüchtig, aber herzlich. Mit dieser Mischung ist das Oktoberfest zum größten Volksfest der Welt geworden. Und zu einer Geldmaschine. Offiziell beziffert die Stadt den ökonomischen Wert auf über eine Milliarde Euro. Doch der eigentliche Schatz liegt im Unsichtbaren, meint Schottenhamel: „Was an Folgegeschäften nach einem Wiesnabend entsteht, kann keiner messen. Aber es dürfte enorm sein.“

Regine Sixt (Mitte) hat auch in diesem Jahr wieder zur Damen-Wiesn geladen.
Regine Sixt (Mitte) hat auch in diesem Jahr wieder zur Damen-Wiesn geladen. (Foto: Stephan Rumpf)

Manch einer hat’s mit dem Geschäftemachen allerdings übertrieben, aber das ist schon lange her. So bekam Wiesn-Festwirt Edi Reinbold einmal Ärger, weil Regine Sixt, die umtriebige Gattin des Münchner Autovermieters Erich Sixt, ihre Damen-Wiesn offenbar mit einer Auto-Promotion verwechselt hatte: Direkt vor dem Zelt parkte neben Buchsbäumchen ein BMW mit Werbung, im Zelt zeigten Samba-Tänzerinnen, was sie konnten. Es war kein Einzelfall und die damalige Tourismuschefin Gabriele Weishäupl griff hart durch. Es gab sogar Abmahnungen gegen die Wirte.

Seither ist in den Betriebsvorschriften für das Oktoberfest geregelt, dass Promotionsaktionen und „Vorführungen als Zugabe zu den Musikdarbietungen“ verboten sind. Ausnahmen werden aber erteilt, etwa für den Oktoberfest-Trachtenumzug. Regine Sixt bat auch in diesem Jahr Unternehmerinnen und andere Powerfrauen zur unvermeidlichen Damen-Wiesn; 1400 folgten der Einladung.

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