In der Statistik der Aktion „Sichere Wiesn für Mädchen* und Frauen*“ taucht Charlotte Kuffler zwar nicht auf. Trotzdem ist die 20-jährige Wirtstochter ein weiterer Beleg für das, was Kristina Gottlöber vom Verein Imma und ihre Kolleginnen, die für den Safe Space des Oktoberfests verantwortlich sind, beobachten: Das Verabreichen von K.-o.-Tropfen nimmt zu, auch auf der Wiesn.
Nachträglich ist es zwar schwer, mit Gewissheit zu sagen, ob Kuffler und ihren zwei Freundinnen wirklich jemand was in die Gläser gekippt hat, der Verdacht aber liegt nahe: Die jungen Frauen haben am ersten Wiesn-Sonntag im Weinzelt gefeiert, sich kurzzeitig im Gedränge verloren, nur um sich dann alle auf der Toilette wiederzufinden, weil ihnen plötzlich „extrem schlecht“ war, wie Kuffler berichtet. Danach gibt es eine kurze Zeit, an die sie sich nicht genau erinnern kann. Sie weiß nur, dass sie es irgendwie schaffte, ihre Mutter anzurufen. Die habe sie dann glücklicherweise alle abgeholt und heimgebracht.

Erst, sagt die 20-Jährige, habe sie sich geschämt, weil sie befürchtete, wohl zu viel getrunken zu haben. Dann aber sei ihr und ihren Freundinnen schnell klar geworden, dass es ein komischer Zufall wäre, wenn ihnen allen gleichzeitig so schlecht wird, dass sie sich übergeben müssen. Die Scham weicht dem Schock darüber, dass ihnen vermutlich jemand K.-o.-Tropfen verabreicht hatte – und das im Weinzelt, das Kufflers Vater betreibt. Dass so etwas demnach wirklich überall passieren kann, sei „extrem gruselig“, findet Kuffler, die den Vorfall mittlerweile zur Anzeige gebracht hat.
Dass Betroffene häufig dazu neigen, die Schuld bei sich oder dem Alkohol zu suchen, könnte erklären, warum Gottlöber und ihr Team bislang nur sechs Fälle mit dem Verdacht von verabreichten K.-o.-Tropfen verzeichnet haben. Die Dunkelziffer solcher Fälle, das sagt auch die Sozialpädagogin, dürfte vermutlich deutlich höher liegen. Umso wichtiger sei es, über das Thema aufzuklären.
Der Safe Space auf der Wiesn ist aber nicht nur Anlaufstelle für Mädchen, Frauen und nicht binäre Menschen, die fürchten, jemand könnte ihnen etwas ins Glas gekippt haben. In vielen der insgesamt 197 Fälle zur Wiesn-Halbzeit wendeten sich Menschen an die zwei Fachberaterinnen und 14 Ehrenamtlichen, die nicht wussten, wie sie sicher nach Hause kommen sollen oder weil sie ihre Gruppe verloren hatten. In zehn Fällen haben die Betroffenen aber auch sexualisierte, in zwei Fällen körperliche Gewalt erfahren, in 14 Fällen wiederum waren „psychische Krisen“ Grund für eine Beratung.

Oktoberfest 2025:Und dann leuchten die Wunderkerzen im Zelt
Beim Finale auf dem Oktoberfest feiern die Gäste und Bedienungen. Die Wiesn 2025 war eine denkwürdige.
Dass es insgesamt 16 Fälle mehr sind als 2024, verbucht Gottlöber unter „normaler Schwankung“. Wegen der Überfüllung am Samstag habe sich niemand an sie gewandt.
Was auffällig ist: Die Zahl der Hilfesuchenden aus dem Ausland, vor allem den USA, hat heuer zugenommen. Zwar stammen mit 43 Prozent nach wie vor die meisten aus der Stadt oder dem Landkreis München, 35 Prozent immerhin aber mittlerweile neben Ländern wie den USA auch aus Australien, England, Frankreich oder Österreich. Die restlichen 22 Prozent stammen aus anderen Teilen Deutschlands. Was sich laut Manuela Soller vom Verein Amyna, der sich ebenfalls an der Aktion beteiligt, nicht verändert hat: Rund ein Drittel der Hilfesuchenden sind jünger als 30 Jahre, 40 sogar noch minderjährig, sprich unter 18 Jahren.
Wo man sich im Safe Space vor allem um Menschen kümmert, die sich weiblich identifizieren, haben das Präventionsprojekt „Wiesn Gentleman*“ mit dem Motto „Respekt ist meine Stärke“ und die Streetworker von Condrobs indes vor allem junge Männer im Blick. Neben Deeskalation ist das Ziel der Streetworker laut einer Pressemitteilung, junge Wiesn-Besucher vor „Überforderung und Gefahren zu bewahren“. In schwierigen Situation unterstützt haben die Streetworker bereits in den ersten Wiesn-Tagen 148 Personen, die meisten davon junge Männer im Alter von 17 bis 25. Insgesamt gab es zudem 325 Fälle, in denen die Streetworker intervenieren mussten.

