Politiker beim Oktoberfest-AnstichEin Masskrug-Orakel auf der Wiesn-Empore

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Markus Söder und Dieter Reiter beim Wiesn-Anstich: Wird Münchens derzeitiger Oberbürgermeister auch im kommenden Jahr das Oktoberfest eröffnen? Die Kommunalwahl im Frühjahr wirds entscheiden.
Markus Söder und Dieter Reiter beim Wiesn-Anstich: Wird Münchens derzeitiger Oberbürgermeister auch im kommenden Jahr das Oktoberfest eröffnen? Die Kommunalwahl im Frühjahr wirds entscheiden. (Foto: Johannes Simon/Getty Images)

Wer wird im kommenden Jahr als Münchner Oberbürgermeister das Oktoberfest eröffnen? Auf der Ehrentribüne beim Anstich wird klar: Der Wahlkampf macht auch vor dem Oktoberfest nicht halt. Worüber die Politprominenz sprach – und welche Zwischentöne zu vernehmen waren.

Von Heiner Effern und Anna Hoben

„Ah, mein Lieblingslied“, sagt Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) nach dem ersten Hendl auf der Empore des Schottenhamel-Zeltes, als die Kapelle das Partylied „Wackelkontakt“ anstimmt. Es gilt als heißer Kandidat für den Wiesnhit in diesem Jahr. Ob Reiter das mit dem Lieblingslied ironisch meint, wird nicht ganz klar. Etwas anderes macht er aber deutlich: Er selbst hat vor, ohne Wackler durch den Wahlkampf für die anstehende Oberbürgermeisterwahl im kommenden März zu kommen.

Dazu gehört für ihn auch die Eröffnung des Oktoberfestes. Eigentlich soll die Wiesn unpolitisch sein, in Wirklichkeit aber sei sie ein „großer Teil des Wahlkampfs“, sagt Reiter. „Da muss ich keine großen Veranstaltungen machen – es reicht, einfach ins Zelt zu gehen.“

Bisher scheint der Amtsinhaber den Wettstreit ohnehin als eher entspannt zu empfinden. „Ich hatte schon aggressivere Wahlkämpfe.“ Sein erster im Jahr 2014 gegen Josef Schmid von der CSU etwa, der sei anstrengender gewesen. Seiner Ansicht nach stehen seine Hauptkonkurrenten noch nicht sonderlich unter Strom. „Ich warte noch auf die erste gute Idee eines Gegenkandidaten.“

Wie es Tradition ist, hat sich nicht nur der Oberbürgermeister, sondern auch die Münchner Politprominenz auf der Empore des Schottenhamel-Festzelts eingefunden, um den Start des Oktoberfests zu feiern. Des letzten in dieser Amtsperiode des Stadtrats.

Während die SPD und die Grünen noch auf dem Trockenen sitzen, hat die CSU schon volle Krüge am Tisch stehen. Ein Zeichen auch für die Kommunalwahl, so sieht es jedenfalls Bayerns Kunst- und Wissenschaftsminister, der Münchner Landtagsabgeordnete Markus Blume. „Wir arbeiten uns nach vorne“, sagt er und lacht. Die Botschaft für die Kommunalwahl ist damit gesetzt: Die CSU wird die Grünen als stärkste Kraft im Stadtrat ablösen. Jedenfalls, wenn es nach dem CSU-Masskrug-Orakel geht.

Auch wenn sich Grüne und CSU als Rivalen um die Vormacht im Stadtrat wahrnehmen (die SPD sehen beide nur noch als Anwärterin auf Platz drei), ein Wahlkampf an der Grenze des Erträglichen wie bei der Landtags- oder Bundestagswahl ist nicht zu erwarten. In beiden Fällen sind CSU-Chef und Ministerpräsident Markus Söder sowie sein Team die Grünen extrem hart angegangen. Die Münchner CSU weiß aber, dass es gut dazu kommen könnte, dass nur Schwarz-Grün oder Grün-Schwarz eine stabile Mehrheit bilden kann.

Zudem gibt es auf der kommunalen Ebene zwischen Grünen und Schwarzen auch menschlich gute Verbindungen. So sind Bürgermeister Dominik Krause (Grüne) und CSU-Fraktionschef Manuel Pretzl beim Einzug der Wiesnwirte gemeinsam in einer Kutsche mitgefahren. „Wir haben super gewunken“, würdigt Krause den gemeinsamen Auftritt, als er beim Rundgang auf der Empore gerade an einem CSU-Tisch steht. Mit seinem Kutschen-Gefährten Krause könne man aber auch tadellos auskommen, sagt Pretzl.

Clemens Baumgärtner war im vergangenen Jahr noch Wiesnchef und beim Anzapfen im Schottenhamel-Festzelt dabei. Nun greift er in der Fischer-Vroni zum Schlegel. Das Bier floss nach zwei Schlägen.
Clemens Baumgärtner war im vergangenen Jahr noch Wiesnchef und beim Anzapfen im Schottenhamel-Festzelt dabei. Nun greift er in der Fischer-Vroni zum Schlegel. Das Bier floss nach zwei Schlägen. (Foto: Stephan Rumpf)

Trotzdem hat die CSU natürlich das klare Ziel vor Augen, dass der eigene Kandidat Clemens Baumgärtner den Grünen-Konkurrenten Krause bei der OB-Wahl hinter sich lässt. Und womöglich in die Stichwahl kommt, falls der amtierende OB Reiter nicht schon im ersten Wahlgang die absolute Mehrheit holt. Baumgärtner selbst ist diesmal, nach sechs Jahren als Referent für Arbeit und Wirtschaft und damit Wiesnchef der Stadt, nicht auf der Polit-Empore zu sehen. Seit ihn die grün-rote Mehrheit vor knapp einem Jahr nicht im Amt bestätigte, hat er keine offizielle Position mehr inne.

Dafür hat er im Festzelt Fischer-Vroni eine adäquate Ersatzbeschäftigung gefunden. Parallel zum OB im Schottenhamel-Festzelt zapft er dort um zwölf Uhr das erste Fass an. Baumgärtner habe die Fähigkeiten zum Oberbürgermeister, sagt CSU-Fraktionschef Pretzl. Beim Anzapfen sei er in jedem Fall tauglich – „und sonst auch“.

Wenn es um die OB-Wahl geht, dann ist der SPD-Stadtchef und Vorsitzende der Stadtratsfraktion, Christian Köning, völlig gelassen. „Wir haben mit Dieter Reiter einen sehr beliebten Oberbürgermeister. Ich habe noch niemanden getroffen, der nicht glaubt, dass die SPD mit ihm auch den nächsten OB stellen wird.“ Für die Stadtratswahl gilt die Devise: Die SPD will so stark werden, dass sie wieder mitregiert. Dann könnte seine Partei wie bisher das OB-Amt und ein weiteres Bürgermeister-Amt besetzen. „Wir wollen wieder zwei Drittel der Stadtspitze stellen“, sagt Köning.

Oktoberfest 2025 - die erste Woche
:Halbzeitbilanz: 3,5 Millionen Gäste waren bisher auf der Wiesn

Weniger Gäste, mehr Straftaten und mehr Wasser - so lässt sich die erste Hälfte des Oktoberfests zusammenfassen. Weil am Samstagnachmittag trotzdem zu viele Leute auf die Theresienwiese drängten, musste die Polizei das Gelände vorübergehend sperren.

Dass der amtierende OB auch im nächsten Jahr das erste Fass im Schottenhamel anzapfen wird, das glaubt auch Münchens Dritte Bürgermeisterin Verena Dietl (SPD), die sich und den Umstehenden bei gefühlt 35 Grad auf der Empore emsig Luft zufächelt. Auf die Frage, wer die Aufgabe 2026 übernehmen wird, sagt sie: „Sicher der OB.“ Winzige, kaum hörbare Pause. „Dieter Reiter.“

Dietl hätte gern für das Amt kandidiert, nicht nur, weil die Kommunalwahl im kommenden Jahr auf den internationalen Frauentag fällt. Doch der Freistaat hat mit einer Gesetzesänderung die Altersgrenze für Bürgermeister aufgehoben und so Dieter Reiter eine dritte Kandidatur ermöglicht. Dietl muss also warten, bis sie vielleicht einmal das Anzapfen übernehmen könnte.

Aber auch der OB-Kandidat des aktuellen Koalitionspartners im Rathaus, Dominik Krause (Grüne), würde im nächsten Jahr im Schottenhamel-Zelt gern „Ozapft is!“ rufen. „Das ist der Plan“, sagt Krause, ausnehmend gut gelaunt, an diesem Mittag auf der Empore. Seine Fraktion weiß er dabei hinter sich. Man werde alles dafür tun, dass die Grünen bei der Kommunalwahl gut abschnitten, sagt Wiesn-Stadträtin Anja Berger. Sie selbst könnte davon auch profitieren, denn die stärkste Fraktion stellt traditionell die Wiesn-Stadträtin oder den Wiesn-Stadtrat. Den „wunderschönsten Job im Stadtrat“ würde sie gern weiter behalten. Doch nicht nur wegen des Amtes, sondern für die Zukunft Münchens solle ihre Partei gut abschneiden. „Grün tut München gut.“

Dem würde sicher ihre Parteikollegin Claudia Roth zustimmen. Die Bundespolitikerin ist wie immer zum ersten Wiesn-Samstag gekommen, außer ihr sieht man auf der Empore aber keine Berliner Prominenz. „Selbst schuld“ seien die Kolleginnen und Kollegen, sagt Roth. In diesen Zeiten, die so sehr von Krieg, Hass und Angriffen auf die Demokratie geprägt seien, tue die Wiesn einfach gut. „Wir dürfen nicht vergessen, dass das Leben auch schön sein kann.“

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Wiesn-Start
:Das Hauen und Stechen um München ist eröffnet

Münchens Oberbürgermeister zapft das erste Fass auf der Wiesn an, in fast gewohnter Routine. Sein neuer Wiesnchef plaudert von „wilden Partys“, Söder schneidet Grimassen – doch ein paar Zelte weiter gibt es eine Kampfansage.

Von Jacqueline Lang und Lisa Sonnabend

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