Was für ein Spielplatz! Mahoney spitzt die Ohren. Mit dreieinhalb Jahren darf er schon aufs Oktoberfest. Gut, es ist erst sieben Uhr in der Früh, da ist noch nichts los im Marstall-Festzelt. Der Bierdunst vom Vorabend hängt noch in der Luft. Und in den Dielenbrettern, über die Mahoney schnüffelt.
Was für die vierbeinige Spürnase aus der Hundestaffel der Münchner Polizei ein großes Vergnügen ist, hat einen ernsten Hintergrund. Daran wird man nur ein paar Meter vom Marstall-Zelt entfernt erinnert - von 234 Stelen eines Mahnmals: Am 26. September 1980 um 22.20 Uhr riss dort der Rechtsextremist Gundolf Köhler zwölf Menschen in den Tod. Mit einer selbst gebauten Bombe, die er in einem Abfalleimer versteckt hatte.
Oktoberfest:Warum das Wiesn-Besteck in Passau gespült wird
So gut wie kein Zelt auf dem Oktoberfest arbeitet noch mit eigenem Besteck. Eine Firma aus Niederbayern holt jede Nacht eine Million Messer, Gabeln und Löffel in München ab, spült sie, wickelt sie in Servietten - und fährt sie wieder zurück. Ist das sinnvoll?
"Wenn der Hund anzeigt, dann bist du schlagartig auf High-Level", sagt ein erfahrener Hundeführer der Münchner Polizei. Dann muss er entscheiden: falscher Alarm, weil der Sprengstoffhund zwar die richtige Substanz gerochen hat, die jedoch lediglich in einem Putzmittel oder einem Kleber verarbeitet war - oder ein ernster Verdacht? Letzteres hieße: "Das volle Programm." Also absperren, räumen, weitere Sprengstoffexperten vom Landeskriminalamt dazuholen ... Mahoney zeigt an. Regungslos verharrt der X-Herder, ein Mischling aus belgischem und holländischem Schäferhund vor einer Bierbank.
Sein Herrchen, Polizeihauptmeister Emanuel Wichtler, und ein Beamter der "Sonderdienste" des Präsidiums, der immer dabei ist bei der morgendlichen Begehung, nehmen es gelassen. Nein, "die Pumpe geht da nicht", sagt der Sprengstoffexperte. Und das nicht nur, weil in diesem Fall Wichtler selbst die ominöse Substanz versteckt hat. Zu Demonstrationszwecken. Für den Hund. Und für den Fotografen. Zu sehr in die Karten schauen lassen wollen sich die Bombensucher nicht. Einsatztaktik. Wer Schlimmes plant, könnte sonst ungewollt gefährliche Tipps bekommen.
Mahoney freut's trotzdem. Er hat sein Erfolgserlebnis. Auch Mahoneys Bruder aus demselben Wurf - Schwester Moneypenny wurde als erste Münchner Datenträger-Spürhündin ausgebildet - ist an diesem Morgen auf der Wiesn im Einsatz. Insgesamt vier bis fünf Teams sind unterwegs, um alle Festzelte für sicher zu erklären, ehe um 10 Uhr der Ansturm der Feiernden losgeht. Unterstützung bekommt die Münchner Hundestaffel von auswärtigen Kollegen.
Als es dann wirklich ernst wird mit der Absuche, müssen die Zuschauer den Marstall verlassen. Der Schäferhund mit dem aus den Police-Academy-Filmen entlehnten Namen und seine beiden Begleiter werden an diesem Morgen noch weitere vier Zelte inspizieren. 20 bis 30 Minuten Zeit haben sie für jede der riesigen Festhallen, die sich in Kürze mit jeweils bis zu 6000 Besuchern füllen werden. Dazwischen ist immer wieder mal Pause, die brauchen Mensch und Tier. Am Ende werden sie an diesem Morgen wieder einmal ohne "das volle Programm" ausgekommen sein.
Und auch am Dienstag werden sie wie gewohnt ihre Runde über die morgendliche Wiesn drehen. Nur ein paar Meter weiter am Mahnmal wird dann der Opfer des Oktoberfestattentats gedacht. Die DGB-Jugend und die Beratungsstelle Before erinnern um 9.30 Uhr an die Menschen, die 1980 ihr Leben durch eine Bombe verloren, an das Leid der Angehörigen und das der Schwerverletzten. Robert Höckmayr, ein Überlebender, wird sprechen. Seine Mahnung kann jeder auf einer Stele des Mahnmals lesen: "Es kann überall, zu jeder Zeit so etwas passieren."