Süddeutsche Zeitung

Oktoberfest 2018:Sicherer Wiesn-Spaß für Frauen und Mädchen - so geht's

Friedlich schunkeln, busserln, trinken - so sollte das Oktoberfest sein. Wie Frauen und Mädchen sich schützen können.

Von Tanja Mokosch

Eine Frau darf auf der Wiesn machen, was sie will: trinken, schunkeln, busserln, langes Dirndl tragen, kurzes Dirndl tragen, kein Dirndl tragen. "Eine Frau muss auch nackt und völlig betrunken über die Wiesn laufen können, ohne dass irgendetwas passiert", sagt Magdalena Schierl vom Frauennotruf München und der Aktion "Sichere Wiesn für Mädchen und Frauen".

Eine schöne Vorstellung. Doch die Realität sieht manchmal anders aus. Vom gestohlenen Handy bis zum sexuellen Übergriff werden jedes Jahr zahlreiche Fälle auf dem Oktoberfest gemeldet. Auch wenn kein Opfer selbst schuld ist und bestimmt nicht alle Frauen zu Opfern werden: Beim ersten Oktoberfest nach den Übergriffen der Kölner Silvesternacht sind die Bedenken bei manchen Besuchern und solchen, die sich noch überlegen, ob sie überhaupt gehen wollen, besonders groß.

Das Bündnis "Sichere Wiesn für Mädchen und Frauen", bestehend aus dem Verein zur Abschaffung von sexuellem Missbrauch und sexueller Gewalt (AMYNA e. V.), der Initiative für Münchner Mädchen (IMMA) und dem Frauennotruf München, gibt auf seiner Website Tipps für einen sicheren Wiesn-Besuch. "Das sind einfache Dinge, die sich aus unseren Erfahrungswerten heraus als sinnvoll erwiesen haben. Und sie gelten für alle Wiesn-Besucher - nicht nur für Frauen und Mädchen."

Die wichtigsten Wiesn-Regeln

  • Im Gedränge kann man sich leicht verlieren. Deshalb ist es am besten, vorab einen eindeutigen Treffpunkt mit Freunden oder Bekannten zu vereinbaren.
  • Größere Handtaschen und Rucksäcke sind dieses Jahr nicht mehr erlaubt und können ohnehin leicht verloren gehen oder geklaut werden. Sinnvoller ist es, Geld, Handy, Schlüssel (oder Hoteladresse) am Körper zu tragen.
  • Wenn die Zelte überfüllt sind, kann es sein, dass Besucher nach dem Verlassen eines Zeltes nicht wieder hineingelassen werden. Deswegen ist es gut, die wichtigsten Dinge immer mitzunehmen - auch, wenn man nur kurz zum Rauchen rausgeht.
  • Das Bier auf dem Oktoberfest ist stärker als normales Bier - und kommt im Masskrug. Ein nichtalkoholisches Getränk und etwas zu essen zwischendurch helfen, einen klaren Kopf zu bewahren und länger fit zu bleiben.
  • Die Aktion "Sichere Wiesn" warnt vor K.-o.-Tropfen: Sie machen handlungsunfähig und bewusstlos - auch auf der Wiesn werden jedes Jahr Verdachtsfälle bekannt. Daher sollten Getränke nicht unbeaufsichtigt stehen gelassen werden. Wird ein Getränk ausgegeben, sollte man am besten dabei sein, wenn das Bier von der Bedienung an den Tisch gebracht wird.
  • Im Notfall können Frauen andere um Hilfe bitten - auch Fremde. Dabei sollten sie möglichst konkret einzelne Personen ansprechen, zum Beispiel so: "Sie mit dem roten Pulli ..."
  • Auch auf dem Heimweg passieren sexuelle Übergriffe. Es ist sinnvoll, sich schon vor dem Wiesnbesuch einen sicheren Heimweg zu überlegen.

Bei Unsicherheit: Ab zum Security Point!

Seit 2003 ist die "Sichere Wiesn" mit einem Security Point auf der Theresienwiese vertreten. Der befindet sich schräg unterhalb der Bavaria gegenüber dem Schottenhamelzelt und steht für alle Mädchen und Frauen offen, die Hilfe benötigen. Dabei ist es egal, ob der Handy-Akku schlapp gemacht hat, man die Freunde verloren hat, nicht mehr weiß, wie man nach Hause kommt, einen über den Durst getrunken hat oder tatsächlich Opfer von Übergriffen geworden ist.

Schierl sagt: "Das Gefühl zählt. Der Security Point ist für alle Problemlagen da. Irgendeine Art von Unsicherheit reicht vollkommen aus, um zu uns zu kommen. Wir nehmen jede Frau ernst, egal wie klein das Anliegen in ihren Augen für uns sein mag." Im vergangenen Jahr wurden am Security Point etwa 200 Frauen betreut: Bei manchen reichte eine Facebook-Recherche nach dem Hotel aus, andere bekamen Taxi-Gutscheine, wieder andere erste therapeutische Hilfe nach Übergriffen - um all das wird sich gekümmert.

Wenn es tatsächlich zu sexuellen Übergriffen kommt, sind die Opfer im ersten Moment oft perplex. Danach fragt man sich: Was wäre eigentlich eine angemessene Reaktion darauf gewesen, dass mir der Typ gerade unter den Rock gegriffen hat? Ein Patent gibt es für solche Situationen nicht - besonders, weil der Überraschungseffekt groß ist. Claudia Künzel, Pressesprecherin der Münchner Polizei, sagt: "Wenn man angegriffen oder angegrapscht wird, ist es gut, auf sich aufmerksam zu machen - am besten laut schreien. Wir raten dazu, nicht selbst tätig zu werden und den Täter festzuhalten, sondern jemand anderen um Hilfe zu bitten."

Zum Täter muss klare Distanz geschaffen werden, indem man beim "Sie" bleibt. "Lassen Sie mich in Ruhe!", empfiehlt Künzel. So wird Umstehenden klar, dass man nicht zusammengehört. In allen Festzelten gibt es Security-Personal, an das sich die Besucher wenden können. Das verständigt im Ernstfall die Polizei per Funk. Außerdem sind Polizisten auf dem Wiesngelände unterwegs, an die sich Betroffene direkt wenden können - sofern sie gerade in der Nähe sind. Sonst: lieber jemanden um Hilfe bitten.

Magdalena Schierl von der "Sicheren Wiesn" appelliert auch an die Zivilcourage aller Wiesngänger: "Wenn Sie jemanden sehen, der orientierungslos wirkt: Immer gerne unterhaken und zu uns - zum Security Point - bringen." Und trotzdem, das ist Schierl wichtig, soll niemand Angst davor haben, auf die Wiesn zu gehen. "Wir wollen, dass alle Spaß haben, es sich gut gehen lassen und feiern. Am liebsten, wenn sie unsere Tipps beachten, aber auch, wenn sie das nicht tun."

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